Veröffentlicht in China

Romantische Küste und einsame Landstriche

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Offene Müllbeseitigung in der Nähe von Xige

Wirklich einsame Landstriche sind in diesem bevölkerungsreichen Land natürlich Mangelware, besonders wo selbst die kleineren Städte permanent wachsen. Von der Ein-Kind-Politik hat China sich ja schon länger wieder verabschiedet, die jungen Familien brauchen Wohnraum und selbst auf dem Land und in den Dörfern wird neu gebaut, wenn auch in kleinerem Maßstab.

Nachdem ich Wuchuan verlasse, bleibe ich für die nächsten Tage weiter in der Nähe der Küste, habe zweimal ein Quartier direkt am Meer, an teilweise recht abgelegenen Orten, in Yangxi allerdings wieder mitten in der Stadt. Die Länge der Tagesstrecken schwankt dabei zwischen 45 und knapp 70 Kilometern. Wegen meiner um einen Tag verspäteten Anreise nach Hainan verzichte ich auf den in Shapa Bay geplanten Pausentag und komme damit nach den inzwischen rund zwei Wochen, die ich nun unterwegs bin, endlich wieder in meinen ursprünglichen Zeitplan.

Auch während der Nacht in Wuchuan ist ab und zu Feuerwerk zu hören. Nicht direkt in der Nähe des Hotels, aber doch recht deutlich und es scheint üblich zu sein, damit immer erst spät in der Nacht zu beginnen, wenn müde Radreisende schlafen wollen. Es ist hier aber längst nicht so ausdauernd wie die Nacht zuvor in Xiashan.
Die Stadt verlasse ich zunächst in nordöstlicher Richtung, will die G228 als ausgebaute Fernverbindung vermeiden und fahre einen weiten Bogen durch die östlich von Wuchuan liegende, wieder etwas ländlichere Region.

 

In einem der kleineren Städtchen, fahre ich direkt am offenen Markt vorbei, den Suppentöpfen wird dort über der Gasflamme schon ordentlich eingeheizt, doch eine längere Pause für eine Nudelsuppe mache ich erst später in der größeren Stadt Dianbai. Der Tag ist sonnig und warm, schnell klettert das Thermometer in Richtung 26°C, später am Nachmittag auf knapp unter 30°C im Schatten; Werte die ich zuletzt im Süden Hainans hatte.
Dianbai liegt an einer großen Bucht, fast ein Binnensee, der nur einen verhältnismäßig schmalen Zugang zum Meer hat. Die chinesische Marine betreibt hier unter anderem einen großen Werftstandort und auf den Straßen sind in der Mittagszeit auch ab und zu Angehörige des Militärs in ihren grau-blau-weißen Tarn- bzw. Alltagsuniformen zu sehen. Aber um die Mittagszeit sind immer viele Menschen auf den Straßen unterwegs, erledigen Besorgungen oder gehen essen. Auf einer Promenade am Ufer eines kleinen Süßwassersees sitzen hier im Schatten hoher Bäume jetzt auch einige Leute und unterhalten sich entspannt, oder spielen Karten, was offenbar sehr beliebt ist und mir auch später an anderen Orten immer wieder auffällt.

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Diskussion unter Bäumen

Die Bucht von Dianbai muss ich vollständig umfahren, um mein im Südosten davon gelegenes Tagesziel zu erreichen. Leider gibt es aber in östlicher Richtung aus der Stadt heraus nur die Schnellstraße, der ich nun doch für einige Kilometer mit ihrem unangenehmen Verkehr folgen muss, bevor ich am Rande von Danchang im 90°-Winkel nach Süden und erneut auf eine unbedeutendere Nebenroute abbiege. Beim Dorf Xige habe ich dann beinahe die östliche Seite der schmalen Öffnung der Bucht erreicht. Die Straße verläuft hier auf einem Damm, der das Seewasser von den auch in dieser Gegend reichlich vorhandenen Fischteichen zurückhält.
Auf der Seite in Richtung Meer liegen einige Fischerboote im Wasser, in einer improvisierten Werkstatt sind zwei Männer damit beschäftigt, einen Bootsmotor zu warten oder zu reparieren. Viele Getriebeteile liegen auf dem Boden verteilt aber die stammen eher von früheren Reparaturen. In der Nähe schwelt eine Müllhalde vor sich hin, der Rauch folgt dem Wind in Richtung Westen. So vorbildlich beinahe überall im öffentlichen Raum Menschen damit beschäftigt sind, herumliegenden Straßenmüll aufzusammeln, oder Laub zusammenzufegen, so häufig wird der zusammengekehrte Müll auch einfach im Straßengraben angezündet.

 

Von dem etwas größeren Flecken Hengshan ausgehend führt dann eine Stichstraße bis direkt ans Meer heran und das Hotel, in dem ich vorab ein Zimmer reserviert hatte, liegt gut geschützt direkt am Meer. Es ist nach dem Hai Bin Resort in Xiashan bereits das zweite Mal, dass ich in einer eingezäunten und gesicherten Hotelanlage übernachte. Es mag daran liegen, dass man hier gemeinsam mit einem Wyndham Luxus-Resort kooperiert, an dem ich auf der Zufahrt durch das großzügige Gelände auch vorbeikomme.
In dem Haus, das vielleicht einmal als Feriendomizil verdienter Parteigenossen vor schon Jahrzehnten entstanden sein mag, bekomme ich jedenfalls ein mit bequemen Sitz- und ansonsten schon etwas abgewohnten Möbeln eingerichtetes, großes Zimmer, in dem auch mehr als nur ein Fahrrad Platz finden würde.

 

Am nächsten Tag muss ich die etwa 2 Kilometer lange Stichstraße bis zum nächsten Dorf wieder zurückfahren, um meinen Weg in östlicher Richtung fortzusetzen.
Das Hotel bietet nichts an, deshalb mache ich mir nur einen Kaffee und esse zwei Bananen als Frühstück; fahre dann auch bald los. Kurz bevor ich nach etwa 12 Kilometern in Mangang auf die G325 komme, will ich dann nach einem Restaurant schauen. Dort sollte es kein Problem sein, etwas Essbares zu finden.
Erstaunlicher Weise hat das kleine Nest Hengshan an der ersten Straßenkreuzung nicht nur ein eigenes kleines Postamt, dieses Postamt hat sogar am Sonntag geöffnet. Zumindest nimmt der Beamte, der mir am Tag zuvor noch einige Briefmarken verkauft hatte, die geschriebenen Karten dort an seinem Schalter ab.

Wieder einmal ist es am Vormittag bewölkt und es bleibt den Tag über eher trübe, auch wenn am frühen Nachmittag ab und zu die Sonne mal durch die Wolken kommt. Richtig auflockern tut die Bewölkung erst am späten Nachmittag. So warm wie am Tag zuvor wird es aber nicht, durch den ständigen Wind ist es zeitweise eher unangenehm kühl.
Irgendwo verbrennt jemand Erntereste auf einem Feld, vielleicht ist auch Müll dabei, und der Rauch verteilt sich über Kilometer in der Landschaft, sorgt für eine leicht diesige Sicht.

 

Zwischen einzelnen Dörfern stehen manchmal größere Kiefernbestände, ohne dass man von Wald sprechen könnte. Größeren zusammenhängenden Wald sehe ich immer nur in der Ferne an Berghängen, ansonsten Felder mit Mais, Gemüse auf kleineren Parzellen, außerhalb der Dörfer betreiben die Leute hier auch Entenzucht. Irgendwo müssen ja auch die an manchen Straßenküchen in Vitrinen von Fett goldig glänzenden, bereits fertig gegrillten Enten herkommen. Offenbar werden sie an größeren Teichen zu Hunderten gemeinsam in einer Altersstufe gehalten. Mal sind die Enten jung, mit hellem Gefieder, vermutlich wenige Wochen alt, mal sind sie bereits ausgewachsen, vergnügen sich auf dem Wasser oder ruhen faul auf dem Trockenen. Diese ‚Entenfarmen‘, oft großzügige Flächen mit einem riesigen Teich, liegen häufig direkt am Weg, die Tiere lassen sich von vorbei fahrenden Fahrzeugen nicht stören. Halte ich aber mit dem Fahrrad an dem oft nur niedrigen Zaun an, der die flugfaulen (oder flugunfähigen, weil sie es nie gelernt haben) Tiere am Verschwinden hindert, dann fühlen sie sich offenbar bedroht und strömen in großer Zahl in einen anderen Winkel des Geländes.

 

Auf dem Markt in der Stadt sieht man die Tiere dann manchmal in mobilen Gehegen als lebende Ware, die genauso wenig weiß was sie erwartet, wie die Hühner, die oft zwischen Straße und Grundstücken auf Futtersuche herumpicken. Wohl genährt, fast schon zu fett führen sie offenbar ein gutes Leben, bevor sie in den Topf kommen. Hühnerfarmen sind mir hier in Guangdong bisher nicht aufgefallen, in Hainan hatte ich dagegen einige gesehen. Immer unter dicht stehenden, schattigen Bäumen, ein niedriges Holzhaus für die Gelege und viel Freifläche drum herum für hunderte von glücklichen Hühnern, die auf dieser jeweils verhältnismäßig großen Fläche herumlaufen konnten wie sie wollten. Ein einziges Mal ertönte an solch einer Hühnerfarm sanfte Musik aus einem Lautsprecher, zarter Gesang zu einer beruhigenden Musik, die aber vermutlich auch nicht zu größeren Eiern geführt hat. Vielleicht war es auch einfach nur ein Versuch eines Hühnerzüchters.

Shapa Bay ist ebenfalls ein eher verträumtes Nest mit kleineren Hotels direkt an einer Strandpromenade, einem kleinen Vergnügungspark und einigen Restaurants, die bei ihrer Größe offenbar ganze Busladungen an Gästen erwarten. Jedes präsentiert sein Angebot an Krustentieren und frischen Seefischen in großen Aquarien direkt neben dem Eingang, so wie bei Fischrestaurants im Süden Chinas offenbar üblich. Das kann man auch in größeren Städten manchmal sehen. Nur die Nachfrage ist offenbar im Moment gering. Es sitzen am Abend wenige Gäste an den Tischen, einige der Restaurants sind nicht einmal geöffnet.

 

Aber mit dem Einsetzen der Dämmerung treffen sich einige Einheimische zum gemeinsamen Tanzen auf einem kleinen Platz an der Strandpromenade, die Musik dazu kommt aus einem etwas gequält klingenden Lautsprecher und gibt dem fröhlichen Miteinander eine nette Note von Improvisation.

Bisher hatte ich mit dem Wetter richtig Glück. Sonnig war es zwar nicht immer, aber richtigen Regen hatte ich bisher noch nicht. Heute morgen prasselt es jedoch so richtig auf den Balkon, als ich wach werde. Wie lange es in der Nacht schon geregnet hat, weiß ich nicht, als ich bei dann nur noch leichtem Regen am Vormittag in die nächste Etappe in Richtung Yangxi starte, sind die Straßen jedenfalls patschnass und es stehen Pfützen auf dem manchmal nicht sehr ebenen Beton, denen ich nicht ansehe, wie tief sie tatsächlich sind. In Laifuyuan, einem etwa 5 Kilometer entfernt gelegenen Nachbarort von Shapa Bay, suche ich mir zunächst etwas fürs Frühstück, da Shapa Bay selbst an dem Morgen wie ausgestorben ist. Selbst die Backstube, in der ich gestern am Nachmittag noch Kuchen bekommen hatte, ist geschlossen.

Auch wenn die Nebenstrecke bis zunächst Shangyang nicht allzu weit von der Küste entfernt verläuft, wird die Landschaft doch allmählich bergiger und bewaldeter, und die Wolken hängen noch lange nach dem Regen tief an den Hängen. Offenbar wird hier neben der Land- auch Forstwirtschaft betrieben und der Baumbestand ist ziemlich jung, hauptsächlich Eukalyptus, vereinzelt stehen aber auch hier junge Kiefern dazwischen.

In den weiten Tälern bleibt aber der Reisanbau bzw. was davon nach der letzten Ernte zur Zeit noch übrig ist, dominierend.

Da ich bis nach Yangxi mit knapp unter 50 Kilometern keine richtig lange Strecke habe, lasse ich mir mit einer längeren Pause etwas Zeit, rolle am Mittag durch das kleine, aber um diese Zeit auch hektische Shangyang langsam hindurch. Die Leute kommen von ihrer Arbeit aus den umliegenden Betrieben oder von den Feldern mit ihren Mofas zum Essen in die Stadt gefahren, wie in anderen Städten auch, die kleinen Restaurants haben jetzt Hochbetrieb und auch viele Schüler haben jetzt eine längere Pause und belagern Tea-Shops oder kleine Fastfood-Restaurants.

In dem Dorf Shidingxin, etwa eine halbe Stunde später, sehe ich neben einer kleinen Zweiradwerkstatt eine kleine Garküche, bei der ein leckerer Duft von etwas aufsteigt, das zunächst im Dunkel der Überdachung verborgen bleibt. Ein Tisch unter dem Vordach ist frei, Hunger habe ich inzwischen auch und die hier in einer großen gußeisernen Pfanne entstehenden, fett gebackenen und gefüllten Teigfladen sind jetzt genau das Richtige. Inzwischen kommt sogar die Sonne durch die Wolken und Heizt die Luft auch schnell wieder auf.

Bis nach Yangxi hinein ist es dann auch nicht mehr sehr weit. Ich komme aus südlicher Richtung in die Stad hinein gefahren, passiere zunächst einen der älteren Außenbezirke, mit engeren Straßen und älterem Häuserbestand, bevor ich das Zentrum erreiche, in dem die Straßen wie üblich breit und voll sind und ich den universell genutzten Nebenstreifen benutzen muss.

An einer Fußgängerampel, an der ich warten muss, hängt sich ein junger Mann mit seinem Rennrad hinter mich. Ein Student, wie er mir langsam in etwas schwerem Englisch erklärt, der hier in der Stadt lebt. Er ist an meinem Fahrrad interessiert und macht ein Foto mit seinem Smartphone. Begleiten kann er mich nicht allzu lange, nach wenigen Straßenkreuzungen biegt er in seine Richtung ab und ich verfolge meine Richtung auch weiter.

Hier in Yangxi finde ich ein ruhig gelegenes Zimmer in einem kleinen Hotel mitten in einem Wohnviertel, bei dessen kleinen Restaurants im Umkreis ich später die Qual der Wahl habe.

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