Veröffentlicht in Hong Kong

Vielseitiges Hong Kong

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Weniger als einen Kilometer von meinem Quartier in der Lee Garden Road entfernt, befindet sich eine kleine Parkanlage, der Victoria Park. Dort führt eine schmale Tartanbahn in einer Art Rundkurs durch das Grün und um eine große Rasenfläche mit Sportanlage herum. Die Strecke ist 625 Meter lang, sie ist alle 25 Meter markiert und eigentlich für Läufer reserviert, aber auch viele Spaziergänger nutzen diese Bahn, manchmal zu zweit oder zu dritt nebeneinander her spazierend und sich angeregt unterhaltend.
Dies ist eine ruhige Oase unweit der hektischen und lauten Geschäftsstraßen. An drei Tagen drehe ich hier morgens meine Runden. Von meinem kleinen Hostel aus laufe ich im leichten Nieselregen entlang der unübersichtlichen Straßen, auf denen so viele Menschen auf dem Weg ins Büro oder zur U-Bahn hin und her hetzen, beinahe eingezwängt zwischen den teilweise mehr als 40 Etagen hohen Bürotürmen und Shopping-Malls. Morgens ist der leichte Regen ganz angenehm beim Laufen, kommt die Sonne durch die Wolken wird es schnell schwülwarm, aber das passiert selten.

Hong Kong, oder besser: Hong Kong Island, ist schon recht speziell. Der bebaute Küstenstreifen ist verhältnimäßig schmal, nur wenige 100 m bis knapp über 2 km breit, dahinter steigt das felsige Gelände steil an. Ich habe den Eindruck, die Hochhäuser in der Bay würden bis in die Höhe der Berge aufragen.
Für ein paar Tage lasse ich das Fahrrad auf dem Balkon des Hostels stehen und bewege mich nur zu Fuss oder mit der Metro durch die Stadt. Die Straßen in der Causeway Bay sind wegen dieser hohen Gebäude schlichtweg unübersichtlich, etwas bessere Orientierung gewinne ich aber dadurch, dass ich mich kreuz und quer in diesem Teil der Stadt bewege. Es braucht z.B. zwei beinahe vergebliche Versuche, das nächstgelegene Postamt zu finden, obwohl in der Übersichtskarte verzeichnet, da es sich überraschender Weise im 10. Geschoss eines 18-stöckigen Shopping- und Bürohochhauses befindet und eben nicht zu ebener Erde und in einem Einzelgebäude, wie ich es vermutet hätte. Unten ein riesiger Eingangsbereich mit Galerien von kleineren Restaurants und Geschäften über zwei Etagen, darüber noch weitere 5 Etagen mit Geschäften für Mode, Mobilfunkzubehör und anderen Dingen die niemand braucht, darüber mehrere Etagen mit Handelsvertretungen, Versorgungseinrichtungen und weiteren kleineren Geschäften. Das Postamt besteht auch nur aus einem kleinen Schalterraum mit vielleicht 25 m2 Grundfläche und in die Wand zum Flur eingelassenen Briefkästen. Briefmarken bekomme ich hier genügend, Postkarten muss ich woanders suchen. Die finde ich dann später bei einem kleineren Laden etwas abseits der Hennessy-Road in einer Nebenstraße, der einem alles mögliche an antikem Trödel verkauft. Hier gibt es so etwas wie Souvenirs und eben Karten, wenn die auch schon etwas abgelagert aussehen, im Gegensatz zu den Shopping-Malls, wo selbst gut bestückte Schreibwarenhändler keine Postkarten im Angebot haben.

Am nächsten Tag finde ich dann noch viel mehr Karten bei den Zeitungshändlern am Pier der Star Ferry Gesellschaft in Kowloon, auf der gegenüberliegenden Seite der Bay. Mit der Metro ist das relativ einfach zu erreichen, die Causeway Bay Station liegt schließlich keine 200 m von meinem Quartier entfernt. So erkunde ich am Nachmittag die Gegend um die Metrostation Tsim Sha Tsui. Die Straßen sind dort etwas regelmäßiger angeordnet, aber nicht weniger unübersichtlich. In einem der Hochhäuser am Hafen, das sowohl Hotel als auch Mall ist, finde ich einen Buchhändler, der sich über zwei verwinkelte Etagen erstreckt. Hier ist der Stress von der Straße weiter unten weit entfernt.
Am Pier weht der Wind kühl und feucht von See her, das Wetter ist insgesamt regnerisch. Die niedrigen Fähranleger der Star Ferry Gesellschaft, die heute fast nur noch touristische Bedeutung hat, sind zwar überdacht, aber sehr zugig. Deshalb zieht es mich immer wieder in den einen oder anderen Shopping-Tempel, die hier in der ‚Harbour City‘ alle irgendwie miteinander verbunden sind, auch wenn mich die Mode-Label nicht sonderlich interessieren.

Das Wetter ist leider auch am Tag meiner Weiterreise von Hong Kong Island hinüber nach Kowloon und weiter nach Tsuen Wan nicht sehr freundlich. Ich starte nach einem leckeren Frühstück im ‚Lucky Star‘, zwei Ecken vom Hostel entfernt, und arbeite mich dann mit dem Fahrrad im leichten Nieselregen hinunter zur Hennessy Road, und entlang der Causeway Road weiter bis zum Fährhafen am North Point. Die Boote der First Ferry Gesellschaft nehmen immerhin auch Fahrräder mit an Bord, was bei der Star Ferry laut deren Beförderungsbedingungen ausgeschlossen ist. Das hatte ich am Tag vorher noch recherchiert und das freundliche Männlein an den Drehkreuzen, die den Zugang zum Pier versperren dann gefragt, ob ich denn mit meinem bepackten Rad passieren dürfte. Leider verstand er kein Englisch aber den Begriff 自行车 für ‚Fahrrad‘ konnte ich mir nach kurzem Überlegen noch zusammenreimen, und da wurde der kleine Mann richtig lebendig, öffnete mir ein Seitentür zum Wartebereich und rechnete die 10HK$ fürs Rad sogar in eine separate Handkasse ab.

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Etwa 10 Minuten dauert die Überfahrt über die Kowloon Bay und das an diesem trüben Vormittag nur mit wenigen Passagieren besetzte Boot legt dann am Kowloon City Ferry Pier, nicht allzu weit von dem seit vielen Jahren bereits stillgelegten, ehemaligen Innenstadt-Flughafen an.

Die Strecke bis nach Tsuen Wan im Nordwesten von Kowloon ist für mich dann mit einigen Herausforderungen gespickt, da mich die generelle Einbahnstraßenregelung immer wieder zu Umwegen zwingt. An einem Kreuzungspunkt mehrerer Schnellstraßen in Cheung Shan, die für Radfarher natürlich tabu sind, komme ich nur über ein längeres Stück Fußweg weiter in meine Richtung. Die etwas später folgende Lai King Hill Road trägt ihren Namen zu recht und nach dem kurzen aber mühsamen Anstieg habe ich dann doch auch mal eine kleine Übersicht auf die in dieser Ecke Hong Kongs völlig unregelmäßig angelegten Straßen.

In Kwai Chung muss ich später dann nochmal einen Hügel erklimmen, bevor ich mein Hotel erreiche, das leider doch in einer gemischten Gewerbe- und Wohngegend liegt, gegenüber einer größeren Baustelle. Es ist aber kein Problem, ein Zimmer zu bekommen, das in die abgewandte Richtung schaut, Fenster lassen sich allerdings nicht mal öffnen. Das Zimmer ist deutlich größer, als mein erstes am anderen Ende der Stadt, und hier passt sogar das Fahrrad zwischen Fenster und Bett.

Veröffentlicht in Hong Kong, Macau

Von Macau ist Hong Kong nicht mehr weit

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Museumsboot in Hong Kong

Nach zwei Tagen, an denen ich Macau hauptsächlich zu Fuß erkundet und ansonsten die Beine hoch gelegt habe, setze ich mich wieder aufs Fahrrad. Hong Kong ist ja nicht wirklich weit entfernt, keine 50 Kilometer, allerdings direkt über Land nur mit einem gewaltigen Umweg über die Metropole Shenzhen erreichbar.
Vor etwa einem halben Jahr wurde zwar eine Straßenverbindung zwischen Zhuhai/Macau und Hong Kong eröffnet, ein Stück Autobahn von insgesamt 55 km Länge, ein Milliardenprojekt das über drei zusammenhängende Brücken und durch einen Tunnel führt, aber für Fahrräder natürlich tabu ist. Die Brücke wird hauptsächlich von Bussen genutzt, doch ob ich hier mein Fahrrad transportiert bekommen hätte, habe ich nicht weiter recherchiert.
Stattdessen habe ich mich mit den möglichen Fährverbindungen zwischen Macau und Hong Kong beschäftigt. Das warf mir schon genügend Fragen auf, die sich im Vorfeld nicht einmal abschließend haben klären lassen. Eine klassische
Fahrzeugfähre, wie die zwischen Hainan und Guangdong zum Beispiel, gibt es hier jedenfalls gar nicht, lediglich Personenfähren in Form von Speed-Booten.

Der für mich infrage kommende Fährhafen, von wo aus die Boote der Cotai-Waterjet-Linie in Richtung Hong Kong Island verkehren, liegt leider nicht im Norden Macaus an der Küste der Halbinsel (Outer Harbour), sondern auf der Insel Taipa (Taipa Ferry Terminal), was es für mich schwierig macht, die Fähre überhaupt zu erreichen.
Nord- und Südhälfte Macaus sind über drei Brücken miteinander verbunden, von denen jedoch keine offiziell für Fahrräder freigegeben ist. An beiden äußeren Brücken, über die jeweils autobahnähnliche Schnellstraßen geführt werden, stehen jeweils explizite Verbotsschilder, und die mittlere und zugleich schmalste Brücke ist eigentlich Bussen und Taxen vorbehalten.

Einerseits bin ich ganz froh, aus der engen Stadt wieder heraus zu kommen, obwohl Macau trotz seiner geringen Ausdehnung doch viele spannende Ecken hat, die zu entdecken für mich in den zweieinhalb vergangenen Tagen gar nicht möglich war.
Das Treiben in den verwinkelten kleinen Straßen der älteren Stadtteile macht die Stadt aber durchaus interessant und die Mischung aus alter portugiesischer Architektur, zum großen Teil als Weltkulturerbe gepflegt (aber auch touristisch stark nachgefragt), und der schlichten, eher planlos wirkenden Alltagsarchitektur ist einmalig. Dazu setzen die großen Klötze der Kasino-Hotels und der unwirklich wirkende, golden verspiegelte Turm des Grand Lisboa in Form einer Lotus-Blüte, sehr konträre Akzente. Auch der 334 Meter hohe Macao-Tower am südlichen Ende der Halbinsel ist ein eher unpassender Blickfang.

Vom Guia-Hotel bis zum Taipa-Fährhafen sind es keine 10 Kilometer Strecke. Ich hatte am gestrigen Abend noch versucht herauszufinden, ob ich mein Fahrrad auf ein Boot der Cotai-Waterjets bringen kann und wie ich es dafür vorbereiten müsste, doch bei dem einzigen fußläufig erreichbaren Ticket-Schalter dieser Fährgesellschaft, am „Sands“ Kasino-Hotel, konnte man mir dazu keine Auskunft geben.

Also starte ich mit dem ‚Mut zur Lücke‘ am späten Vormittag bei noch
einigermaßen sonnigem Wetter und rolle zunächst die Estrada do São Francesco hinab, in Richtung Südwesten, Richtung des Kasinos ‚Grand Lisboa‘ und habe schnell Schwierigkeiten, die richtige Fahrspur zu finden, auf der ich dann auch weiter in Richtung des Hafens und dann weiter nach Taipa komme, um nicht in der Zufahrt zu einem der Parkhäuser am
Grand Lisboa zu enden. Etwas zu euphorisch rolle ich zu lange auf dem äußeren Fahrstreifen, ohne rechtzeitig zu sehen, dass dieser eben nicht auf dennächsten Kreisverkehr mündet, der hier am unteren Ende der Halbinsel als
zentraler Verteiler dient.

Das Schlimme ist: nachdem ich mich bis an die Kaimauern vorgearbeitet habe und am Sockel des gar nicht so hoch wirkenden Macao-Towers vorbei gerollt bin, sehe ich schon, dass Zweiräder die Rampe zur Brücke nicht hinauffahren dürfen. Ein Hinweisschild dirigiert sie darunter hindurch und zu der von Nordwesten ebenfalls an die Brücke heranführenden Rampe, mitten durch eine Baustelle hindurch.
Ja, Motorräder haben ihren eigenen Fahrstreifen auf dieser Brücke, aber Fahrräder sind hier offensichtlich doch nicht erwünscht; ein weiteres Verbotsschild direkt an der Auffahrt ist da so eindeutig wie unbestechlich.
Daran vorbei fahren kann ich aber noch, zum Ärger der hinter mir ausgebremsten Fahrzeuge, und finde mich bald erneut am Fuße des markanten Sende- und Aussichtsturms wieder.

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Torre de Macau vor der wachsenden Skyline der benachbarten Xiaohengqin Insel (Zhuhai/China)

Da bleibt mir nichts anderes übrig, als zurück um den Binnensee Lago Nam Van herum zum zentralen Kreisel an der Praca de Ferreira do Amaral zu radeln und mein Glück dort zu versuchen. Die dortige Brücke in Richtung Taipa ist allerdings schmal. Zunächst sind keine Busse hinter mir in Sichtweite, als ich die lange Rampe hinauf fahre. Taxis können mich leicht überholen, aber die Stadtbusse sind eben etwas breiter und irgendwann bildet sich doch ein Stau hinter mir, weil sich ein Busfahrer nicht traut. Er beginnt auch bald zu hupen und als ich die Spitze des etwa 35 Meter hohen Dreiecks passiert habe, das die Brücke bildet, zieht er endlich vorbei. Die südliche Rampe der Brücke führt fast wieder auf Meeresniveau hinunter und dann noch für etwa einen Kilometer weiter bis zur Küste von Taipa. Ob dies tatsächlich ein offizieller Weg für mich ist, um dort hin zu kommen – ich weiß es nicht.

Fahrräder sind dort offenbar keine Favoriten, denn nach der Brücke wird es nicht besser. Ich mache einen kurzen Orientierungsstopp an der Zufahrt zu einer Baustelle, einige Wohnhochhäuser versperren mir die Sicht, genauso wie bereits an anderen Stellen der Stadt. In einer Schleife muss ich mit dem Verkehr um einen Hügel herum fahren, aber ich komme nicht direkt bis zum Hafen, die Wendeschleife kurz davor ist bereits Teil der Autobahnzufahrt zum Flughafen, der auch nicht weit entfernt liegt. Das Rad schiebend komme ich aber über die breite Schnellstraße und die zwischen den Richtungen liegende Barriere hinweg, und über eine Seitenstraße und zwischen Industrieanlagen hindurch dann letztlich doch auf die Fährhafenzufahrt.

Meine Bedenken wegen der Fahrradmitnahme zerstreuen sich schnell, als ich am Ticketcounter direkt ein Fahrradticket kaufen kann. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet, das Fahrrad muss ich für den Transport nicht einmal zerlegen und an Bord der Speedfähre wird das Rad dann hinter einem nicht benutzten Tresen verstaut. Das Ticket kostet allerdings 65 Hongkongdollar (etwa 7 Euro).

Die Fahrt nach Hong Kong Island dauert über eine Stunde, in der First Class gubt es sogar kalte Getränke. Die Überfahrt ist sehr bequem und wegen des Fahrrads werde ich sogar recht früh in die Reihe zum Aussteigen gebeten. Die Passkontrolle ist auch in Hong Kong unproblematisch und genbau wie in Macau gibt es keinen Stempel in den Pass, sondern lediglich einen Ausdruck, der mir den Aufenthalt bis Anfang Juni gestattet. Außerhalb des „Macao-Ferry-Terminal“ muss ich mich dann erstmal orientieren. Auch hier in Hong Kong ist Linksverkehr angesagt und es gibt eigentlich nur Einbahnstraßen, und dann ist der Verkehr mehr oder weniger dreidimensional, denn die Fahrbahnen sind auch übereinander angeordnet. Und diese Überbauungen, häufig führen Sie auf eine der Schnellstraßen, sind für Fußgänger und Radfahrer natürlich tabu.

IMG_1162Ich will zur Queens Road kommen und diese dann auch ein Weilchen entlang fahren und es ist zum Glück auch eine der wenigen Straßen, die ausgeschildert sind. So brauche ich anfangs nur dieser Aussilderung zu folgen. Es gibt viele Bushaltestellen und neben Taxen sind die doppelstöckigen Busse die mir am meisten auffallenden Fahrzeuge auf der Straße. Sie sind durchweg sehr schnell unterwegs und an den Haltestellen fahren sie mir meist rücksichtslos in den Weg. Offenbar gibt es viele unterschiedliche Linien und die Haltepunkte liegen zumindest hier in der Innenstadt sehr dicht, oft nur wenige hundert Meter auseinander.

An vielen Ampeln muss ich halten, fahre dort meist vor bis zur Linie und bin dann meist der Erste. Zumindest solange bis mich ein überholender und gleich an der nächsten Haltestelle wieder an den Rand fahrender Bus ausbremst. 2 – 3-spurig ist die Straße; eine für Zweiräder reservierte Spur gibt es hier in Hong Kong nicht. Dafür ist die Bordsteinkante hoch und ein Zaun grenzt oft den Fußweg neben der Fahrbahn ab.

IMG_1151Ich bin längst auf der Hennessy Road und an der Causeway Metro-Station angekommen, von der mein Hostel nur etwa 200 Meter entfernt liegt, aber ich brauche eine ganze Weile, um es auch zu finden. Es ist ein verhältnismäßig kleines Gebäude zwischen all den hohen Büro- und Shopping-Türmen und viele Hinweisschilder auf mehrere kleine Hostels hängen an den beiden Eingängen. Das Zimmer, das ich dann im ersten Stock bekomme, ist extrem klein, erinnert mich ein wenig an Amsterdam und die manchmal ebenfalls sehr kleinen Hotelzimmer dort. Das Fahrrad kann ich für die nächsten Tage auf eine Art Balkon, bzw. erweiterte Vordachterasse stellen, genau vor das kleine Fenster meines Zimmers.

Veröffentlicht in China, Macau

Es geht weiter und nach Macau

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Happy Chinese New Year – year of the pig

Von Zhongshan aus fahre ich nicht direkt in südlicher Richtung weiter, denn die Berge dort lassen vermuten, dass die Strecke unangenehm werden könnte. Ich will stattdessen in einem Bogen entlang der Küste nach Zhuhai fahren, meinem letzten Stopp vor der Grenze nach Macau. In Richtung Osten führt mal wieder eine breit ausgebaute Verkehrsader vom Stadtzentrum weg und erst nach reichlich 12 Kilometern dann als S111 weiter in Richtung Süden. Stadtauswärts bietet sich auch hier das inzwischen bekannte Bild, mit nur geringer Veränderung: Wohnungsbau entlang der Schnellstraße, hier ein wenig abseits des eigentlichen Asphaltbandes. Beim Ort Nanlang kommt neben Autobahn, Schnellstraße dann auch noch eine neue Eisenbahntrasse hinzu.

Etwas weiter südlich bietet sich dann die Gelegenheit, zumindest vorübergehend auf eine Nebenstrecke auszuweichen, und hier kann ich das Radfahren bei deutlich weniger Verkehr auch wieder genießen. Das Wetter wird inzwischen zusehends besser und für einige Kilometer schlängelt sich die Straße regelrecht durch eine hügelige Landschaft. Nach kurzer Zeit weisen Hinweisschilder auf ein Museum hin: Das Dr. Sun-Yat-Sen-Museum erstreckt sich westlich neben der Straße in Form fast des ganzen Dorfes Cuiheng. Hier hat der Staatsgründer der Republik von 1921 zuletzt eine Residenz gehabt und steht auch dessen Geburtshaus. Der Besucherandrang vor einem Security Check am Eingang zu dem offenbar weitläufigen Gelände ist ziemlich groß.
Nach wenigen Kilometern führt die Straße aber zurück zur Autobahn in Richtung Süden und verläuft dann parallel dazu, in nur wenigen Metern Abstand. An einer nur für Kleinfahrzeuge zugelassenen Unterführung komme ich dann endlich wieder in östlicher Richtung weiter zur Küste.

 

In Shangzha halte ich spontan an einem Restaurant, lasse mir eine Nudelsuppe mit Gemüse und Huhn machen. Es sind Muslime, die dieses kleine Restaurant am Rand eines Gewerbegebiets betreiben und sie stellen ihre Nudeln in traditioneller Weise von Hand her, genauso wie ich es schon vor einigen Wochen in Bo’ao in Hainan gesehen hatte. Der Chef bestaunt neugierig mein vor seinem Eingang geparktes Fahrrad, sieht sich anschließend an, was ich denn da in mein Tagebuch schreibe, während sein Sohn in der Küche mit der Zubereitung des simplen Essens für mich ist.
Das sind dann einmal richtige Teignudeln, die in der Suppe verarbeitet wurden, nicht die sonst üblichen Reisnudeln oder gar Vermicellis.

Durch Shangzha und Xiazha fahre ich dann weiter und komme zurück auf die S111 und nach kurzer Strecke entlang dieser geradlinigen, neu gebauten breiten Straße an eine weite Bucht, die Quanwan Bay, an deren nördlichem Ufer sich eine ganze Kette von schneeweißen Hochhäusern erstreckt.
Der Bucht folgt nach dem Umfahren des Ausläufers eines Hügels die sich noch viel weiter nach Süden erstreckende Xiangzhou Bay, an der sich auch ein kleiner Fischerhafen, geschützt durch die vorgelagerte Insel Yeli Island befindet.

 

In der Nachmittagssonne sind Arbeiter damit beschäftigt, entlang einer Promenade Blumenrabatten für eine Neubepflanzung vorzubereiten.

Dieser äußerste Bezirk von Zhuhai besteht größtenteils aus Ferienwohnblöcken, die hinter teils hohen Zäunen gesichert in erster Reihe an dieser weitläufigen Promenade stehen, mit Blick auf die schneeweiße Fassade einer architektonisch ungewöhnlich gestalteten Konzerthalle auf dieser Insel.

Dieser äußerste Bezirk von Zhuhai besteht größtenteils aus Ferienwohnblöcken, die hinter teils hohen Zäunen gesichert in erster Reihe an dieser weitläufigen Promenade stehen, mit Blick auf die schneeweiße Fassade einer architektonisch ungewöhnlich gestalteten Konzerthalle auf dieser Insel.
Den Küstenbereich verlasse ich dann an diesem Teil der Bucht auch schon wieder und fahre von hier aus weiter in Richtung Innenstadt, denn mein Quartier befindet sich am genau entgegengesetzten Ende, der Stadt und noch etwa 8 km entfernt.

Den Küstenbereich verlasse ich dann an diesem Teil der Bucht auch schon wieder und fahre von hier aus weiter in Richtung Innenstadt, denn mein Quartier befindet sich am genau entgegengesetzten Ende, der Stadt und noch etwa 8 km entfernt. Wieder muss ich einen Umweg fahren, da, wie sich herausstellt, die Brücke der S366 über den Qianshan River, die ziemlich direkt in das Viertel mit meinem vorab reservierten Hotel führen würde, mal wieder für Fahrräder gesperrt ist. So muss ich einige Kilometer entlang des Flussufers fahren, bis zu einer mehr Behelfsbrücke, die dann aus einer anderen Richtung und mitten durch eine Baustelle hindurch dorthin führt. Auch nicht schlimm, doch ich brauche eine Weile, bis ich das etwas versteckt in dem Viertel liegende Hotel auch finde.


Letztlich finde ich aber das Lim-Hotel doch und später am Abend ist das anfangs etwas winkelig angelegte und verwirrend wirkende Viertel mit seinen vielen kleinen Geschäften auch gar nicht mehr so unübersichtlich.
Zum Essen am Abend, Reis mit Sellerie und Chinesischem Spinat plus einem Eierpfannkuchen, trinke ich einmal ein Tsingtao-Bier, als Abschied von China, das ich morgen über die Grenze nach Macau wieder verlassen will.

Doch an der Grenze werde ich mit meinem Fahrrad zurückgewiesen, da hilft alle Diskussion mit einem Aufseher und mit einem der Grenzpolizisten nichts. Das Fahrrad wird nicht als Fahrzeug angesehen, ich soll damit, beladen wie es ist, so wie hunderte andere Fußgänger auch, durch eine große Abfertigungs-, Kontroll- und Zollhalle hindurch. Der Gonbei-Port wirkt wie ein riesiges Bahnhofsgebäude und eine freundliche Polizistin erklärt mir auf meine Frage hin, dass ich dort mit meinem Fahrrad durchaus hindurch darf.
Noch vor dem Gebäude werden die Reisenden auf mehrere Korridore aufgeteilt, an deren jeweiligem Ende alles Gepäck durchleuchtet wird. Also alle Taschen abladen und in den Scanner schieben, das Fahrrad interessiert nicht. Danach geht es in die große Halle hinein, wo die Pass- bzw. Ausweiskontrolle hauptsächlich automatisiert erfolgt. Nicht jedoch für Ausländer. Vor dem Kontrollschalter muss ich das Rad durch den fest abgezäunten, schmalen Korridor schieben, genau wie wenige hundert Meter dahinter noch einmal auf der Seite von Macau. Mein Pass und das Visum werden untersucht, der Computer braucht dann eine Weile, bis er der Beamtin am Schalter erlaubt, den Ausreisestempel in meinen Pass zu drücken.
Dann folgt der chinesische Zoll, wieder muss ich die Taschen abladen und in den nächsten Scanner schieben. Doch es gibt keine Beanstandungen.

Auf der anderen Seite der großen Halle gibt es noch nicht einmal einen Stempel in den Pass, lediglich einen Zettel. Dann bin ich auf einmal in Macau – kleiner Busbahnhof, die Sonne drückt inzwischen wieder stärker durch die Wolken.
Ich setze mich auf eine Bank, ziehe die dünne Jacke aus. Vor mir erhebt sich eine Wand aus schmucklosen acht-, bis vierzehngeschossigen Wohnhäusern zwischen denen die schmale Straße verschwindet, auf der ich kurz darauf in die Enge dieser Stadt eintauche.
An Einbahnstraßen muss ich mich jetzt gewöhnen, an unvermittelte Richtungswechsel und plötzliche Anstiege hinter der nächsten Ecke – und an Linksverkehr. Der ist noch das geringste Problem, aber die Einbahnregelung verbunden mit der Enge der Straßen bremsen mich mehrmals aus.

Die enge Bebauung direkt entlang der Straßen, an denen oft nur ein schmaler Fußweg minimalen Abstand bietet, macht die Stadt sehr unübersichtlich. Eine kurze Übersicht verschaffe ich mir in einer Seitenstraße, die steil einen Hügel gleich etwa 500 Meter nach der Grenze hinaufführt, zu einem kleinen Park und den Resten eines alten portugiesischen Forts. Dem ‚Fortaleza da Mong Ha‘.
Ringsum sehr unterschiedliche Wohnhochhäuser und in der Ferne die Silhouette des ‚Macao Towers‘ und des Kasinos ‚Gran Lisboa‘.

Bis zu meinem Quartier hier in Macau, dem Guia Hotel, das auf halber Höhe unterhalb des gleichnamigen Leuchtturms an einer weiteren Erhebung, etwas weiter südlich liegt, ist es keine 2 Kilometer weit, doch wegen der Einbahnstraßen brauche ich noch etwa eine halbe Stunde bis dorthin.

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Guia Leuchtturm inmitten von Macau