Etwas einfacher hatte ich es mir ja doch vorgestellt, die 17 km von Amsterdam bis zum Grenzübergang Nerston/Sandlane nach Swasiland zu radeln. Doch die Strecke windet sich erst leicht ansteigend durch ein schmaler werdendes Tal und steigt dann schnell um etwa 200 Meter an. Immer wieder muss ich gegen den Wind ankämpfen, so brauche ich für den Aufstieg bis zum Grenzposten fast zwei Stunden.
Wie verlassen liegt die Station in der drögen Vormittagshitze auf einem kleinen Plateau. Im Schatten des Vordachs, das auf Südafrikanischer Seite die Straße überspannt, sitzen zwei Frauen mit hellgelb reflektierenden Westen und ein Mann in Polizeiuniform, die ihre Unterhaltung einstellen, als ich frage, welchen Ablauf ich hier einhalten sollte. Der Beamte notiert zwar nur KFZ-Kennzeichen in seiner aufgeschlagenen Kladde, ist aber fasziniert von dem Gedanken, mit dem Fahrrad aus Deutschland in seine Gegend zu kommen. Er schickt mich weiter zum abseits gelegenen Immigration-Office. Dort hole ich mir den Ausreisestempel, nachdem mein Pass vom dort hinter Glas sitzenden Beamten zweimal gescannt wurde.
50 Meter weiter befinde ich mich bereits in Swasiland, ein Willkommensschild weist darauf hin. Eine herunter gelassene Schranke versperrt jedoch den Weg. Das Customs Office ist hier etwas kleiner angelegt, dafür sitzen mehr Männer in dem Raum, die ihre Unterhaltung kurz unterbrechen, um mich zu mustern. Ich greife mir einen der auf dem Tresen herum liegenden Einreisezettel und beginne die wenigen Felder auszufüllen. Ein Grenzpolizist vergleicht daraufhin die Daten aus dem Pass mit denen auf dem Zettel und will mich nach Fahrzeugpapieren fragen, als er draußen das Fahrrad sieht.
Wo ich denn hin wolle, fragt er kurz, um mir dann viel Spaß zu wünschen, mir einen Stempel in den Pass zu drücken und dann noch einen weiteren Zettel zu stempeln und hinein zu legen. Dort schreibt er ‚Bicycle‘ drauf. Muss ich den etwa bis zur Ausreise im Pass lassen? – frage ich mich, als ich meine Papiere wieder in einer der Packtaschen verstauen will. Doch nein, es gibt noch einen Schrankenwärter und der wartet schon auf den Zettel und gibt mir lachend die Straße frei, als ich ihm den in die Hand drücke.
So rolle ich weiter in die Berge von Swasiland, kaufe im erstbesten Kiosk, etwa 100 Meter hinter der Grenze, eine kühle Cola und fahre dann noch ein paar Kilometer weiter, bevor ich mir unter den Bäumen abseits der Straße einen Schattenplatz für eine kurze Pause suche. Die Straße ist schmaler, als sie es im Nachbarland war, der Asphalt ist rauer, die Gefälle sind steiler – in Swasiland folgt der Straßenbau offenbar noch direkter den Vorgaben des Geländes. Hatte ich in Südafrika bisher maximal 5 – 6 Prozent Gefälle oder Steigung, so sind es hier schnell mal 8 – 10 Prozent. Entsprechend langsamer komme ich nun die Anstiege hinauf und desto vorsichtiger gehe in die nächste Schussfahrt. Die Bremsen halten es bisher gut aus.
Die Hitze des Tages und das immer wieder steile Aufwärtskurbeln machen mir inzwischen zu schaffen. Der Wind lässt auch heute nicht nach und bläst mir entweder unangenehm in die Seite, oder kommt von vorn. Da die Straße oft auf Kammlage verläuft, bekomme ich den Wind häufig ungebremst ab.
Die Grundtendenz ist durchaus abwärts zu fahren, und die nächste größere Ortschaft Bhunya, etwa 35 km hinter der Grenze, liegt auch weit im Tal auf etwa nur noch 1000 Meter, aber es geht von Absatz zu Absatz immer wieder auch steil aufwärts.
Irgendwann habe ich einen jungen Mann auf gleicher Höhe, der mir für wenige Kilometer auf seinem Mountainbike folgt, bis zu einer Schule, an der er arbeitet, wie er mir erklärt. Er ist fasziniert bei dem Gedanken, dass ich mit dem ganzen Gepäck von Amsterdam her über die Berge radle. Bis Bhunya würde ich wohl gut kommen.
Dann kommt irgendwann der steile Abstieg, die Straße wird kurz zuvor breiter und der Asphalt glatter. Das Rad rollt gleich merklich leichter, noch bevor das Gefälle beginnt. Doch die Freude über diesen offenbar noch neuen Straßenabschnitt währt nur kurz, denn nach wenigen Kilometern endet der Ausbau auch schon wieder. Man hat wohl die früher schlimmsten Passagen etwas entschärft und danach geht es erst richtig steil und über viele geflickte Schlaglöchern weiter bergab. Ich bremse mich auf nicht mehr als 30 km/h ab, ansonsten ist das Rad bei den vielen Bodenunebenheiten kaum zu kontrollieren. Ich habe den Eindruck, dass je tiefer ich komme, es umso heißer wird und der weiterhin aus Norden blasende Wind drückt mir die Hitze aus dem Tal quasi ins Gesicht. Er ist so kräftig, dass er mich zusätzlich bremst.
Was wird wohl sein, wenn ich aus der Talsohle heraus gleich wieder den nächsten Berg erklimmen muss. Bis zu meinem anvisierten Quartier in der Foresters Arms Lodge muss ich etwa 10 km über Bhunya hinaus fahren, es geht dort genauso steil den Gegenhang hinauf.
Kurz hinter Bhunya, das nur aus einem gewaltigen Sägewerk und weiterer Holzverarbeitung zu bestehen scheint, mache ich etwa einen Kilometer oberhalb des Tals Pause und esse eine an der eben passierten Straßenkreuzung gekaufte Orange. Leider hatten die Frauen dort nur Obst im Angebot. Es hat jetzt 37° im Schatten, in zwei Stunden wird es dunkel und ich beschließe, hier nicht nocheinmal gegen den Berg anzukämpfen, dessen Rampe mir von oben böse zugrinst, sondern einen Pick-up oder ein ähnliches Fahrzeug anzuhalten und mich die letzten etwa 9 Kilometer mitnehmen zu lassen.
Für 500 Meter versuche ich es kurz darauf zwar noch einmal, aber bei 11% Steigung und nur noch minimal vorhandener Kraft in den Beinen, spüre ich, dass hier für heute Schluss ist. Ein Auto anzuhalten ist aber gar nicht so leicht, denn erstens kommen gar nicht so viele vorbei, dann haben sie oft schon ihre Ladefläche belegt, oder, wie mir ein sehr freundlicher Fahrer erklärt, der mich mitnehmen würde, muss er schon nach wenigen 100 Metern in den nächsten Wirtschaftsweg abbiegen.
So rufe ich in der Lodge an und lasse mich letztendlich abholen, was mir zwar ein wenig peinlich ist, aber durchaus auf großes Verständnis stößt.
So erreiche ich nach 5 Tagen harter Radtour ein Kleinod in den Bergen Swasilands und lege hier auch gleich noch einen Pausentag ein. Die Regeneration habe ich jetzt dringend nötig. Es ist herrlich, in der langsam nachlassenden Nachmittagshitze bei einer kühlen Cola auf einer Terrasse zu sitzen, die Vogelstimmen (und Pferdegewieher in der Ferne) und die Aussicht auf die Weite des Eukalyptuswaldes der Umgebung zu genießen.