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Große Städte im Südwesten des Perlenflusses

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Am Jiang River in Zhongshan

Die Region südwestlich der Metropole Guangzhou wird von vielen Flüssen durchzogen, die alle in Richtung Südchinesisches Meer strömen, sich teilweise zu breiteren Strömen vereinen, wie der Perlenfluss, der bei seiner Mündung zwischen Hong Kong und Macao eine Breite von mehr als 35 km aufweist.
Diese Region ist stark industriell entwickelt, es werden von Elektronikkomponenten bis zu großen Maschinen viele Dinge produziert und transportiert und entsprechend stark ist die Infrastruktur ausgebaut. Hauptsächlich Fernverkehrs- und Expressrouten, für die dann auch mehr oder weniger aufwendig konstruierte Brücken zum Queren der vielen Wasserwege vorhanden sind. Diese Brücken bestimmen dann letztlich auch meine Route durch die Region, zunächst nordwärts von Jiangmen aus über Heshan bis an den Rand von Foshan, um dort Florence noch einmal kurz in ihrer Heimat zu treffen, danach südwärts über Shunde nach Zhongshan und von dort nach Zhuhai und weiter bis nach Macao.

 

Leider beschert mir der Winter im Süden Chinas vorübergehend graues und feuchtes Wetter, zumindest seit ich von Taishan aus weiter in nördlicher Richtung gefahren bin, wurde es täglich etwas kühler und regnerischer. Jiangmen z.B. habe ich nur grau und mit Dauernieselregen in Erinnerung. Ich hatte dort ein Zimmer in der Nähe einer schön angelegten Parkanlage, die am Tag meiner Ankunft noch von vielen Einheimischen zum abendlichen Spazieren, zum gemeinsamen Gesang oder auch Tanz genutzt wurde, was an dem verregneten zweiten Tag und Abend dann ausfiel. Dabei ist das immer wieder ein nettes Schauspiel, wenn Leute verschiedenster Altersstufen sich auf einem großen Platz treffen, um gemeinsam in der Dämmerung zu der Musik aus einem manchmal quäkigen Lautsprecher zu tanzen.

Überhaupt war ich an meinem Pausentag in Jiangmen nur wenig draußen, habe mir das Xinhui Museum angesehen, wo mehrere kleinere Ausstellungen präsentiert werden, Eintritt frei. Es sind einige Werke lokaler Künstler zu sehen, einige Stücke älterer chinesischer Porzellankunst, sowie Ausgrabungsstücke, die bei der Restaurierung der Bauten vor einigen Jahrzehnten freigelegt wurden.

 

Als ich von Jiangmen weiter in Richtung Norden fahre, ist der Himmel stark bewölkt, der leichte Regen vom Abend hat in der Nacht irgendwann aufgehört, aber die Tropfgeräusche waren von den Blechdächern der Balkone am benachbarten Gebäude noch bis zum Morgen zu hören, mehr als 15°C werden es an dem Tag nicht. Die Stadt ist eine Flächenstadt und hat am westlichen Rand, begrenzt durch einige Berge, auch großzügige Grünflächen, wie die Gui Feng Shang Scenic Area. Wie so viele andere Parkanlagen in China auch, ist das Gelände jedoch eingezäunt und an den Zuwegen gut gesichert. Polizisten beobachten sogar recht genau den Verkehr vor dem südlichen Eingang, an dem ein größerer Parkplatz vorhanden ist, wo aber auch mal wieder gebaut wird.

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Gui Feng Shang Scenic Area

Ich dachte, hier am Rand einen Teil der Stadt umfahren zu können, muss aber letztlich doch durch das Zentrum, bis zu dem ich allein schon 20 km Strecke mache. Unterwegs wärme ich ich bei einem McDonalds auf – immerhin gibt es dort mal wieder Kaffee. Im Zentrum der Stadt dann ein großes Rondell, um das der Verkehr herum geleitet wird, und mitten drin befinden sich gleich zwei Museen. Dasjenige für zeitgenössische chinesische Kunst ist leider geschlossen, das zweite, welches den chinesischen Auswanderern der beiden vergangenen Jahrhunderte gewidmet ist, sehe ich mir hingegen kurz an. Gerade aus dieser Gegend Chinas, durch die ich mich im Moment bewege, sind vor allem im 19ten Jahrhundert viele Menschen nach Nordamerika ausgewandert und haben dort u.a. den Bau der tausende Kilometer langen Eisenbahnlinien in den USA und vor allem in Kanada ermöglicht, einfach durch ihre Vielzahl an Arbeitskräften.

 

Der Übergang von Jiangmen nach Heshan ist dann beinahe nahtlos, auch wenn die beiden Städte auf der Karte klar voneinander getrennt sind und theoretisch weit auseinander liegen. Die Wohngebiete Jiangmens dehnen sich aber einerseits immer weiter nach Norden aus, werden auf den Werbebannern entlang der Bauzäune, die so eine Bauzone immer vor zu neugierigen Blicken abschirmen, aber als künftige Wohnparadiese angepriesen, wo das Leben entspannter und ökologischer als bisher sein wird. Und andersherum dehnt sich der Industriegürtel von Heshan immer weiter nach Süden aus.
Aber es gibt dazwischen noch Nischen, in denen kleinere Dörfer existieren und das Auge vom Grün der Landschaft wieder etwas beruhigt wird. Im Vorbeifahren zumindest kurzfristig.

 

Später fahre ich durch den zentralen Bereich der Stadt Heshan auf kleineren Seitenstraßen, komme durch ein Wohnviertel mit vielen kleinen Geschäften entlang der Straßen und halte dabei nach einer Bäckerei Ausschau. Es sind oft unscheinbar kleine Läden, die aber trotzdem von außen aufgrund der drinnen vorhandenen, beleuchteten Glasvitrinen gut zu erkennen sind. Ich habe es mir inzwischen angewöhnt, am Nachmittag, wenn ich am Tagesziel angekommen bin und das jeweilige Hotelzimmer bezogen habe, mir einen Instantkaffee zu machen und ein Stück von dem in praktisch jeder Bäckerei angebotenen Blätterteig mit Pudding zu essen. Eine Créme Brûlée en miniature sozusagen – lecker, nach den Stunden auf dem Rad.
Auch hier habe ich relativ bald Glück, sehe den kleinen Backshop rechtzeitig und kaufe neben dem Puddingtörtchen auch noch ein Stück einer andere Variante von Blätterteigkuchen. In den Hotelzimmern hatte ich bisher immer einen Wasserkocher zur Verfügung und diese Serie setzt sich auch in Heshan fort.

Am nächsten Tag will es gar nicht erst richtig hell werden, der Himmel bleibt dicht und grau verhangen. Von meinem Zimmer im 7. Stock aus erscheint die gegenüberliegende und ebenfalls graue Häuserfront wie eins mit dem Grau der Wolken.
Das Guoshang Hotel liegt praktischer Weise schon am nördlichen Stadtrand von Heshan, so komme ich schnell an den Shaping River, einen Zufluss des breiten Xi Rivers, an dessen Ufer ich dann einige Kilometer in östlicher Richtung entlang fahre. Es scheint heute noch kühler zu sein, dabei dachte ich gestern schon, es wäre der Tiefpunkt. Als es nach kurzer Zeit erst mit Niesel, dann etwas stärker zu regnen beginnt, suche ich mir eine Überdachung und werde auch bald am Büroeingang einer Werkstatt, die an der Nebenfahrbahn der Y985 liegt, fündig. Das Vordach ist nicht breit, reicht aber, um trocken die Packtaschen öffnen zu können. Ich suche meine etwas wärmeren Handschuhe heraus, denn mit den sehr offenen, einfachen Handschuhen, kühlen mir die Hände bei dem Regen zu schnell aus. Die Regenjacke trage ich eh von Anfang an, mit drei wärmenden Lagen darunter.

 

Als der Regen nachlässt, fahre ich weiter. Anfangs suche ich mir eine Uferstraße, von der ich annehme, dass sie für den Durchgangsverkehr nicht interessant ist, was eigentlich auch so stimmt. Was ich aber nicht weiß; es gibt entlang dieser schmalen Betonpiste eine Reihe von Baustoffbetrieben, die Baurohstoffe wie Sand und Kies direkt vom Flussufer, von dort anlandenden Frachtschiffen geliefert bekommen. Das macht das Umschlagen des Materials recht einfach und von den Betrieben aus wird das Material mit LKWs dann weiter verteilt. Sehr zu meinem Leidwesen, denn es sind eine ganze Menge LKWs die teils recht sportlich mit dem Feinkies auf der Ladefläche diese schmale Betonstraße entlang geschossen kommen.

Leider geht diese Straße nach kurzer Strecke in eine Baustelle über. Offenbar soll sie durch einen Neubau ersetzt werden und wurde schonmal um einige Dutzend Meter verlegt, zudem dient sie nun als Baustraße, hat keinen festen Belag mehr, sondern eine Oberfläche, die zwar aus dem ehemaligen Beton besteht, der zuvor aber fein geschreddert und nun als neue Fahrbahn aufgeschüttet und verdichtet wurde. Der Regen und viel Sand, der von den großen Fahrzeugen von der Baustelle immer mitgeschleppt wird, machen das zu einer unebenen und schlammigen Angelegenheit. Ich komme nur noch sehr langsam voran, da ich auf dem holperigen, in schlammigen Pfützen auch schlüpfrigen Untergrund weder stecken bleiben noch wegrutschen will.
Nach etwa 2 Kilometern ist dieser Spuk aber vorbei und das Fahrrad ist inzwischen eingesaut, wie schon lange nicht mehr.

Für einige Kilometer folgt ein Abschnitt der schon fertiggestellten neuen Straße, die in beiden Richtungen jeweils dreispurig angelegt ist und kaum benutzt wird. Sie dient als Zubringer zur S112, eigentlich einer niederrangigen Fernstraße, deren Brücke über den XiJiang ich in Richtung Osten nutzen will. Überraschender Weise ist sie für Fahrräder gesperrt, das Schild an der Zufahrt ist eindeutig. Ich ignoriere es trotzdem, denn ich habe keine Alternative. Als ich mich die Rampe hinauf arbeite, wird mir auch klar warum. Den sonst immer vorhandenen Seitenstreifen hat man hier gespart, dafür die drei Richtungsfahrbahnen etwas breiter ausgelegt. Der von Süden her aus der Region Jiangmen kommende Fernverkehr besteht fast nur aus Schwerlast-, überwiegend Container transportierende LKWs, die Taktfolge ist ziemlich dicht.
Auf halber Höhe steht am Fahrbahnrand, dort wo eine Fußgängertreppe ansetzt, die ich nun wirklich nicht nutzen wollte, einsam ein Polizeimotorrad, aber weit und breit ist niemand zu sehen. So ziehe ich letztlich unbehelligt am rechten Rand der rechten Spur über die etwa 1,5 km lange Brücke und den danach noch ansetzenden Damm, auf dem aber schon wieder eine separate Spur für langsamere Fahrzeuge existiert. Etwa 2 km weiter mache ich an einer Zufahrt in ein Dorf unter weit ausladenden Bäumen eine kurze Verschnaufpause und ziehe die Regenjacke endlich aus, die mir inzwischen etwas zu warm geworden ist.

Später muss ich noch zwei weitere Schnellstraßenbrücken benutzen, die jedoch nicht ganz die Dimension derjenigen am XiJiang haben. Einmal bei Leliu, wobei ich die Stadt selbst nur streife, und später bei Long Jiang über jeweils einen Seitenarm des Shunde Zhuxi. Bei letzterer sehe ich schon von weitem, dass der Treppenaufgang zum separaten Fußweg über die Brücke auch eine schmale Spur zum Schieben von Zweirädern hat. So mache ich mir die Mühe, hänge mir eine der beiden Gepäcktaschen über die Schulter und schiebe das Rad langsam die vier Treppenabsätze nach oben, wo ich dann ganz entspannt und getrennt vom Verkehr die ca. 400 m lange Brücke zum anderen Ufer hinüber radeln kann. Dort muss ich das Rad die Treppe dann wieder hinunter schieben, der Schnellstraße ein Stück weit folgen, bevor ich an einer Wendestelle zu meiner eigentlich Richtung wieder zurückfinde.

In Beijiao mache ich erneut einen Tag Pause, hatte mir vorgenommen, mit der Metro von Foshan aus nach Guangzhou hineinzufahren, aber lasse es wegen des durchwachsenen, kühlen Wetters bleiben und mache stattdessen einen Tagesausflug über 50 km mit dem Fahrrad nach Shanwa, einem kleinen Städtchen mit teils erhaltenem Altstadtkern. Das führt mich zwar in die entgegengesetzte Richtung, aber dieser Ort ist auch eine Besichtigung wert.

Als ich dann heute morgen in Richtung Süden weiterfahre, ist die Luft gleich wieder etwas wärmer, als an den letzten Tagen, und über den Nachmittag scheint auch ab und zu mal die Sonne.

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Auf Chinas Straßen bedarf es manchmal viel Geduld

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Leichter Stress an einer Straßenkreuzung in Dianbai

So ganz allgemein ist der Straßenverkehr hierzulande etwas problematisch. Gab es vor 20 Jahren noch verhältnismäßig wenige individuelle Privat-PKW und waren Taxen neben Bussen das Hauptverkehrsmittel in den Innenstädten, so quellen die Straßen der Städte inzwischen mit hauptsächlich großen Autos über. Daneben sind Kleinmotorräder und Elektro-Mopeds oder -Mofas ebenfalls sehr weit verbreitet.
Bei Fernstraßen ist der Verkehr meist nur im näheren Umkreis größerer Städte sehr dicht, vor allem stadtauswärts, wo lange Ampelphasen meist zu langen Staus führen. Für viele Überlandverbindungen gibt es aber oft eine Alternative, manchmal ist diese allerdings noch im Bau, und ein Netz von Autobahnen trägt ebenfalls einen großen Anteil des Fern- und vor allem Schwerlastverkehrs. Das sehe ich nur manchmal in der Ferne, Fahrräder sind dort natürlich nicht erlaubt.

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Hier gehts in Richtung Wuchuan und Guangzhou

Die Überlandverbindungen sind meist sehr gut zu befahren, oft mit zwei Richtungsfahrbahnen plus Seitenstreifen, wenn nicht der Belag schon zu alt und ausgefahren und der Seitenstreifen nicht mehr brauchbar, der Belag insgesamt holprig ist, und man mehr auf die Straßendecke achten muss als auf den Verkehr.
Das kommt aber eher selten vor und ich hatte es richtig unangenehm bisher nur auf einem Teilstück der G325 zwischen Yangjiang und Enping für einige Kilometer. Da es dort aber mit nur wenigen hundert Metern Abstand die G15 als parallel verlaufenen Expressway gibt, war der Verkehr auf diesem Teilstück überschaubar.
Sonst ist praktisch immer ein breiter Seitenstreifen vorhanden, so dass ich dort als Radfahrer theoretisch immer genügend Abstand zum eigentlichen Verkehr habe. Aber ganz so einfach ist es leider nicht immer.

Sobald irgendwo der Verkehr stockt, kommt irgendein schlauer Fahrzeuglenker auf die Idee, doch mal rechts auf dem Seitenstreifen zu probieren, ob es dort nicht weitergeht, nur um festzustellen, dass es eben nicht geht und um dann langsam wieder zurück in die Spur zu rollen, wenn da nicht schon jemand anderes schnell aufgerückt ist. So ist der Seitenstreifen dann auch blockiert, wenn diese Aktion nicht zuvor schon das gerade auf gleicher Höhe rollende Zweirad beiseite gedrängt hatte. Rücksicht ist nicht weit verbreitet.

Total nervig sind die Innenstädte, vor allem in kleineren Orten. Regel Nummer eins: wenn ICH komme, dann habe ICH Vorfahrt und dass ICH komme, mache ich stets mit lautem Hupen bekannt. Egal ob Moped, Mofa, Dreirad, Auto, Mini-LKW, LKW, Kleinst-Transporter, oder was auch immer. Am schlimmsten sind Busse, denn die haben zudem auch noch immer Recht :). Oder irgendwie so ähnlich.
Kein Land, in dem nicht mehr und öfter nutzlos gehupt wird, als wie hier. Es ist manchmal dermaßen – ahhh, widerlich; nicht, weil man mich als kleinen Radfahrer meint und von der Straße tröten will, sondern weil dies offenbar die offizielle Sprache aller Verkehrsteilnehmer untereinander ist. Es ist dies vermutlich auch eine Ursache für viele frühzeitige Gehörschäden.

Das zweite Prinzip ist auch ganz einfach: nicht auf andere achten, sondern einfach fahren. Bisher habe ich nur eine leichte Kollision zweier E-Mopeds untereinander gesehen und mir selbst einmal eine Packtasche abgefahren, weil der Typ von schräg rechts kommend eben genauso draufgehalten hatte, wie ich. Wirklich defensive Fahrweise musste ich mir hier erst angewöhnen. Denn das nächste Fahrprinzip ist das Schwarmprinzip (also zumindest die Mopeds untereinander): immer auf gleicher Höhe bleiben und wenn die Lücke sich ergibt, dann am besten gleich hinein, oder noch besser, dran vorbei. Die hinter dir halten schon den Abstand, wenn sie selbst die schlechtere Position haben.

Ich weiß nicht, ob es wirklich Regeln gibt. Mopeds und andere Zwei- oder Dreiräder (manchmal auch Autos und Kleinlaster, die zur nächstgelegenen Wendestelle wollen) fahren an beiden Straßenrändern immer auch in beide Richtungen. Die Entgegenkommenden meist (aber nicht zwangsläufig) ganz außen – also sie drücken dir am Seitenstreifen so etwas wie Linksverkehr auf. Kein wirkliches Problem, man sieht sich ja eigentlich rechtzeitig, es hat aber zur Folge, dass wenn zudem ein Auto oder Kleinlaster den rechten Straßenrand blockiert (eine weitere gängige Eigenheit), oder vielleicht gleich mehrere Fahrzeuge dort stehen, weil ein Händler dort besonders schönes Obst anbietet – am liebsten stehen die Autos nebeneinander auch noch leicht in die rechte Fahrspur hinein – dann musst du immer damit rechnen, dass wenn du diese Engstelle gerade passierst, dir auch genau dann ein Zweirad entgegen kommt und dich noch weiter in die Fahrspur zwingt, oder eben ausbremst. Also darf ich nie einfach nur mein Tempo fahren wollen, sondern muss immer damit rechnen, im nächsten Moment stoppen oder ausweichen zu müssen. Manchmal bin ich ja auch stur, aber ich habe schnell gelernt, dass ich damit hierzulande nicht weit komme.

Die größeren Straßen haben meist eine Barriere zwischen den beiden Fahrtrichtungen, sowohl in den Innenstädten, wie auch außerhalb, sofern die Straße mehr als einen Fahrstreifen je Richtung hat. Wenden oder Abbiegen geht nur an Lücken in dieser Barriere, die auch häufig mit einem Zebrastreifen für Fußgänger vorhanden ist, mit einer kleinen Stufe innerhalb der Barriere, die von Fahrzeugen nicht gequert werden kann. Alle paar hundert Meter gibt es Lücken zum Abbiegen und Wenden auch für größere Fahrzeuge. Das sind immer wieder Gefahrstellen, wenn ein Auto dort wenden will, sich nicht traut und damit die linke Richtungsspur blockiert, oder ganz gemächlich in den Gegenverkehr hineindreht und diesen, unter protestierendem Hupen, kurzfristig ausbremst, um quasi selbst einzufädeln. Innerorts sind deshalb meist nur 40 km/h erlaubt, manchmal weniger, außerorts nie mehr als 80 km/h – allerdings hält sich niemand daran.

Der Anteil an Fahrrädern im Straßenverkehr ist offenbar sehr gering in den Städten, eher werden sie noch von älteren Leuten genutzt, die damit vermutlich groß geworden sind, auf dem Land sehe ich sie öfter. Dafür gibt es in den größeren Innenstädten viele Leihfahrräder, oft auch als Pedelecs, die man mit einer App ausleihen kann. Es gibt dafür verschiedene Anbieter (meist Moo Bikes) und in manchen Städten stehen die meist ziemlich einfachen Dinger überall herum, genau wie zuhause.

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Von Taishan nach Jiangmen

IMG_9922Es ist ungewöhnlich kühl am Morgen. Ein fast eisiger Wind von Nordost bläst mir entgegen, als ich mal wieder recht spät am Tag in Taishan starte. Mit den Schauern von letzter Nacht, hat sich die Luft insgesamt wohl etwas abgekühlt. Dabei war der Sonnenschein vom Hotelzimmer aus betrachtet so verlockend und ich habe meine warmen Sachen tief in die Packtaschen gesteckt. Über die dünne Weste ziehe ich dann bald noch die dünne Windjacke.

Ich muss noch einmal durch die renovierte Altstadt, die hinter der Brücke über den Taishan Fluss beginnt und teils aus einem Gewirr von kleinen parallel, aber nicht geradlinig verlaufenen schmalen Straßen besteht, rechts und links jeweils eng mit den klassischen zweigeschossigen Häusern bebaut, die man in kleineren Städten noch sieht, die an vielen anderen Orten aber längst der kompletten Neugestaltung der Innenstädte zum Opfer gefallen sind.  Die Gebäude sind nicht nur in erster Reihe entlang der etwas breiteren, durch dieses Viertel hindurch führenden Hauptstraße teilweise völlig neu errichtet. Diese Neubauten imitieren den alten Baustil, haben aber beinahe glatte, weniger verschnörkelte Fassaden. Im unteren Geschoss befinden sich Geschäfte, Werkstätten, kleine Galerien. Für dieses Viertel müsste ich einen Tag Zeit haben, bin gestern am späten Nachmittag schon einmal hier vorbei gekommen, als ich mir noch eine große Parkanlage am Stadtrand angesehen hatte, jetzt kann ich auch nur langsam hindurch rollen und muss dann weiter. Gestern am Abend war hier deutlich mehr Verkehr auf der Straße.

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In der Altstadt von Taishan

Die kühle Luft bewegt sich unverändert, als ich etwas später wieder auf offenem Land auf der stark befahrenen S273 nordwärts fahre. Mancherorts sind die Ausblicke von dieser Straße ja recht interessant. Einmal ist da ein Dorf in geringer Entfernung, an dessen Nordende eine Art von Wehrturm den Abschluss dieses Dorfes bildet, etwas später bilden eingezäunte Gewerbeflächen den Rahmen der Straße, von Heavy Industries ist an der Zufahrt eines großen Areals mit gewaltigen Hallen, denen man nicht ansieht, was drinnen verarbeitet wird, zu lesen. Vielleicht wird Stahl erzeugt? Auf den riesigen Freiflächen stapeln sich jedenfalls Stahlplatten und -röhren verschiedenster Dimension.

Dann wieder Baustellen, Hochhausbau auf der einen Straßenseite, Straßenbau auf der anderen. Von einem größeren Industriebetrieb schwärmen Arbeiter auf ihren Elektro-Mopeds aus und kommen mir auf dem Seitenstreifen entgegen.
Inzwischen kommt die Sonne ab und zu durch die Wolken und es wird schnell wärmer, nach etwa 12 km auf dieser zwar geradlinig verlaufenden, aber dennoch unangenehmen Straße setze ich mich ostwärts in Richtung einer schmalen Querverbindung ab – und lande dort prompt in einer Sackgasse. Eher unscheinbar war bereits etwa 200 Meter zuvor ein schmalerer Betonstreifen schräg in die Landschaft hinein abgezweigt.

 

Okay, diese schmale, gleich hinter einer langgezogenen Biegung im Grünen in Richtung bewaldeter Hügel verschwindende Straße nehme ich jetzt. Doch es dauert nicht lang, da wird die Betondecke erst löchrig und ist ein gutes Stück weiter komplett eingebrochen. Für einige Meter überzieht bräunlich schlammiges Wasser die Straße, ein paar hundert Meter weiter ist es unebener, lehmiger Boden mit Pfützen, was anstelle der Straßendecke übrig ist und bald darauf sehe ich auch warum: zwischen den Hügeln wird in der Richtung in die diese alte schmale Straße verläuft eine neue Straße angelegt. Von der Breite des aufgeschütteten Damms geschätzt, könnte es eine vierspurige Straße werden, teils sind die Hügel dafür bereits abgetragen worden, wie ich später sehe, das bewegte Erdreich bildet den Damm, der an manchen Stellen über bereits gegossene Betonröhren aufgeschüttet wurde, die später als Wasser-Querläufe dienen werden. An anderer Stelle wird der Untergrund erst präpariert, werden Betonstützen errichtet.
Die Straße, die ich hier als stille Alternative durch die Berge und entlang eines Stausees nutzen will, dient jedenfalls als Baustraße für diesen Neubau und die schweren Baumaschinen und Material-LKWs haben ihr offenbar schwer zugesetzt.
Im Moment ist von diesen Fahrzeugen allerdings nicht viel zu sehen, nur wenige Arbeiter sind überhaupt auf dieser riesigen Baustelle anwesend. Insgesamt komme ich natürlich vorwärts, aber ich muss oft stoppen, um dann vorsichtig durch die schlammigen Abschnitte zu fahren, und umdrehen will ich natürlich nicht. Glücklicher Weise sind jetzt keine großen LKWs auf der schmalen Straße unterwegs, lediglich ab und zu ein Kleintransporter, der mich überholt. Das gibt mir auch gleichzeitig die Gewissheit, dass die Straße durchgängig ist und nicht irgendwo wegen der Baustelle ganz endet.

 

Eigentlich ist es eine ruhige, weit entrückte Gegend, durch die ich hier komme und die schmale Straße wurde sicherlich einmal angelegt, um eine Versorgungsstraße für den Stausee zu haben. Wenn der Neubau erst fertig ist, wird sich das Bild vermutlich stark verändern. Nach etwa 20 km erreiche ich den nächsten Ort und kurz bevor die nun wieder mit zwei regulären Fahrstreifen ausgestattete Straße in Shuang Shui auf die S271 mündet, halte ich an einem Restaurant, wo ich nach etwas längerer Verhandlung mit einer hilfsbereiten jungen Frau, die nur geringfügig besser Englisch spricht als ich Chinesisch, eine schöne Portion Gemüse und einen gedünsteten Fisch bekomme. Der ist stäbchengerecht vorgeschnitten und so zart, dass ich mit den Gräten nicht lange kämpfen muss.

Auf der von Südwesten nach Jiangmen hinein führenden Landstraße dominiert dann bald wieder der schwere LKW-Verkehr und die Straße wird für zwei Brücken, die nacheinander über den Tan River führen, auch noch schmaler. Ein großer Teil dieses Verkehrs biegt aber auf eine Ringstraße ab, die am Ortseingang quer dazu verläuft und danach wird es gleich wieder ruhiger. Gewerbebetriebe liegen auf beiden Seiten der Straße, Möbeltischlereien hauptsächlich, die offenbar alle sehr ähnliche Designs an Tischen und kleineren Schränken in einem rötlich braunen Holz produzieren.

 

Schnell ist der übliche Innenstadtverkehr wieder um mich herum, den ich viel mehr beachten muss, als die LKW auf irgendwelchen Landstraßen.
Mein Quartier liegt dann für zwei Tage am Rand eines kleinen Parks und direkt Seite an Seite mit mit dem Xinhui Museum, einem repräsentativen Bau aus einer früheren Dynastie. Nach inzwischen knapp drei Wochen auf dem Rad will ich auch einmal einen Tag Pause machen.

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Überraschende Begegnung und der weitere Weg bis Taishan

Heute morgen ist es dann doch passiert (schreibe ich mir am 19.02. ins Tagebuch): auf der recht stark befahrenen G325, die etwas nördlich von Yangxi verläuft und die ich für etwa 6 – 7 km benutzen muss, bevor ich wieder ins Hinterland abtauchen kann, sehe ich bereits von Ferne die Silhouette eines eher ungewöhnlich beladenen Zweirads vor mir. Bald kann ich die typischen Reflektoren von Ortlieb Packtaschen an dem Rad, das etwas langsamer als ich fährt, erkennen. Ein Radreisender, der offenbar auf einer langen Tour ist, denn neben zwei großen Packtaschen am Hinterrad, hat er auch vorne zwei Taschen am Lowrider und zusätzlich einen wasserdichten Packsack auf dem Gepäckträger, außerdem einen leeren Wasserkanister. Ich überhole und grüße und es stellt sich heraus, dass es ein Chinese ist, etwa in meinem Alter, der seit rund vier Monaten sein Land bereist und nun auf dem Weg nach Shenzhen ist. Besonders gut ist sein Englisch nicht, aber für den kurzen Austausch genügt es. Es freut uns gegenseitig, uns getroffen zu haben und wir wünschen uns gegenseitig gute Reise, denn er fährt weiterhin auf der Fernverkehrsstraße, während ich an dem Abzweig, den wir inzwischen erreicht haben, auf eine weiter nach Süden führende Nebenroute wechsle. Ich will heute nur bis nach Yangjiang fahren und kann mir einige Kilometer Umweg leisten.

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So ungewöhnlich beladen fährt nur ein Radreisender

Kurzer Stopp nach etwa 12 km bei einer Bäckerei, die neben Süßgebäck und vielen verschiedenen Keksen auch belegte Toasts mit Käse anbietet. Ich brauche noch etwas für das ‚zweite Frühstück‘ und für den Nachmittag.
Seit Yangxi hat sich die Umgebung etwas verändert, mancherorts ist die Vegetation richtig üppig. Die Landschaft bietet mehr Abwechslung als an den letzten Tagen; grüne Hügel, wenig Agrarflächen, die Straße macht häufiger Richtungswechsel, kreuzt zweimal eine Bahntrasse. Die umliegenden Dörfer haben von dieser auf Betonstelzen, bzw. überwiegend auf einem Damm geführten, ihre Landschaft zerschneidenden Bahntrasse nicht viel, der nächste Bahnhof liegt weit entfernt.

 

Leider wird es heute gar nicht richtig hell, der Himmel ist dauerbewölkt, seit es gestern abend doch noch kräftiger geregnet hatte. Die Luft ist trotzdem nicht kühl, ungefähr 22°C bei sehr hoher Luftfeuchte, ab und zu fallen einzelne feine Regentropfen.
Auch in dieser Gegend komme ich gelegentlich an größeren Teichen vorbei, an denen in großer Zahl Gänse gehalten werden. An anderer Stelle sind es wieder Fischteiche, nicht immer sind sie in Betrieb. In den kleinen Städtchen ist immer viel Geschäftigkeit auf der Straße, ob da nun einzelne Leute unter einem Sonnenschirm am Straßenrand ihre Ware anbieten, manchmal nur etwas Obst, oder gleich mehrere Marktstände dafür sorgen, dass der Straßenrand blockiert wird, ob jemand Kartons einsammelt und mit der gefalteten Pappe seinen Handwagen oder gleich die Ladefläche eines größeren Dreirads überlädt, ob ein Handwerker vor seiner Werkstatt sitzt und an der frischen Luft seine Schweißarbeiten durchführt oder ob direkt an der Straße improvisiert gekocht wird. Eigentlich überall treffe ich auf Menschen, die mit irgendeiner Tätigkeit beschäftigt sind.

 

Neben einer Brücke über den Seitenarm einer nahen Bucht, die sich etwa vier Kilometer weiter südlich ins Meer öffnet, liegen einige größere Fischerboote, die vermutlich erst in der nächsten Nacht wieder auslaufen werden, um ihre Netze auszulegen. Eigentlich liegen immer irgendwo Boote am Ufer, oder auch ‚im Päckchen‘ falls der Platz am Ufer nicht ausreicht, wenn ein Wasserweg irgendwie einen Zugang zum Meer hat. Die Fischerei hat hier offenbar eine große Bedeutung, und sei es auch nur für den eigenen Bedarf.

Als ich mich am Rande des Ortes Pingdong etwas umsehe, beginnt es doch noch zu regnen. Ich kann mich dort aber mitsamt dem Fahrrad unter dem Blechvordach einer momentan verschlossenen Hütte unterstellen und abwarten. Irgendwann rennt eine Ratte im Zickzack quer vor der Hütte vorbei und verschwindet schnüffelnd und suchend an einem mit einer kleinen Plane abgedeckten Haufen irgendwelcher Dinge.
Ratten – ja, natürlich muss es die hier auch geben, bei den oftmals offenen Müllsammelstellen und den selten geschlossenen Abwasserkreisläufen auf dem Land. Zumal bei der recht hohen Anzahl plattgefahrener Exemplare, die ich täglich auf der Straße sehe. Die Tiere scheinen dem Straßenverkehr nichts beizumessen und rennen anscheinend jederzeit quer darüber, allerdings hatte ich bisher außer den toten Tieren auf der Straße, keine Ratten herum rennen gesehen.

 

In Yangjiang gibt es, wie schon in anderen Großstädten, Leihfahrräder von mehreren Unternehmen, die offenbar gut nachgefragt werden. Schon früh bevor ich in die Innenstadt komme, fallen mir diese eher kleinen Räder vereinzelt auf.
Häufig haben die Leute auch gar keinen Platz, um dauerhaft ein Fahrrad bei sich unterzubringen, denn so etwas wie einen Kellerraum für jede Wohnung gibt es in einem Wohnhaus mit dutzenden Etagen einfach nicht, da ist es offenbar einfacher, bei Bedarf eines auszuleihen, wenn die Fahrräder denn quasi jederzeit und überall verfügbar sind. Auf dem großen Platz vor einer Shopping-Mall, gleich neben der Zufahrt in das dortige Parkhaus, stehen die Räder eines der im Land weit verbreiteten Verleiher gleich in großer Zahl. Überwiegend mit Elektromotor.

 

Nicht direkt im Zentrum, aber an einer der breiteren Durchgangsstraßen bekomme ich in Yangjiang ein bequemes, großes Zimmer mit Aussicht auf diese breite Straße. Es sind dort einige Händler von Motorrollern, Elektrorollern, Autowerkstätten und Händler für Werkstattbedarf und Haushaltsartikel. In dem südlich gelegenen Vorort, durch den ich in die Stadt hinein komme, befinden sich viele kleine Werkstätten an der Straße und sitzen die Leute u.a. draußen zusammen und spielen Karten.

Am nächsten Morgen wird mir das Frühstück aufs Zimmer gebracht. Beim Einchecken hatte man mir gestern gesagt, dass es Frühstück um acht Uhr geben würde, aber ich hatte dieser Information nichts Besonderes beigemessen. Um dreiviertelacht klopft es jedenfalls an der Tür, während ich mir noch die Zähne putze. Offenbar hat das Hotel eine Kooperation mit KFC, dann das Reis-Porridge mit Huhn und das geformte Spiegelei kommen in einer entsprechend bedruckten Papiertüte. Es sind 2 Portionen, da es ja ein Doppelzimmer ist, in dem ich übernachtet habe. So mache ich mir schnell Kaffee und esse in Ruhe, schreibe noch etwas, bevor ich packe und losfahre.

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Durchgangsstraße in Yangjiang

Zunächst zum Postamt, das ich gestern abend noch gesehen hatte, als ich in der nahen Shopping-Mall zum Essen gewesen bin. Ich will einige Karten wegschicken und endlich auch mal ein paar Briefmarken kaufen, was letztendlich auch gelingt. Aber es kostet wieder einmal viel Zeit. Hatten die Leute auf den Ämtern, bei denen ich bereits Karten abgegeben habe, immer schnell damit begonnen, die Karten zu stempeln, oder mir zu zeigen, wo ich denn die Karten einwerfen solle, müssen die beiden Angestellten hier im Amt erst einmal feststellen, wo denn die Karten hin sollen und ob das aufgeklebte Porto auch stimmt. Und das tun sie anhand eines handgeschriebenen Zettels, auf dem viele, viele Länderkürzel vermerkt sind. Die Karten werden gewogen und dann wird diskutiert, ob die 5 Yuan, die ich überall draufgeklebt habe, auch ausreichen. Schließlich leimt einer der beiden noch je zwei kleine, blaue Labels auf jede Karte. Vielleicht so etwas wie ‚Luftpost‘ ? Gesehen habe ich so etwas bisher jedenfalls noch nicht.

Nachdem ich auch noch Briefmarken bekommen habe (nur abgezählt und nicht zu viele, da die Marken-Ausstattung im Amt erstaunlicher Weise tatsächlich nicht besonders groß ist), mache ich mich aufs Rad und rolle erst relativ spät am Vormittag im dichter werdenden Verkehr nordostwärts aus der Stadt heraus. Nach nur wenigen Kilometern befindet sich neben der Straße, an der sich etwas zurück gesetzt einige größere Betriebe zu befinden scheinen, auch eine richtig große Garküche, die gerade noch mit den Vorbereitungen für das mittägliche Kochen beschäftigt ist. Als ich mir die großen Feuerstellen und Töpfe genauer ansehe, wollen mich die Frauen gleich zum Essen einladen, aber mir ist das noch zu früh am Tag.

 

Für mehr als 2/3 der Strecke bis nach Enping habe ich außer der G325 keine Alternative, da aber parallel auch noch eine Autobahn bzw. ein Expressway existiert, bleibt der Verkehr ab dem Abzweig dorthin dann doch überschaubar. Zudem ist die Fahrbahndecke hier in so schlechtem Zustand, wie ich es bisher noch nirgends erlebt habe, weder auf irgendwelchen Provinzstraßen, noch auf den stark genutzten Fernverkehrsstraßen.
Auch an dieser Fernstraße finde ich Punkte, an denen ich mich kurz von der Fahrbahn zurückziehen und vorübergehend ausspannen oder einfach etwas Obst essen kann. Manchmal gibt es so etwas wie Niemandsland zwischen der Straße und dem nächsten Dorf.
An der Nebenstraße, über die ich Enping am Nachmittag erreiche sind mehrere holzverarbeitende Betriebe angesiedelt, die offenbar Furniere herstellen. Das Holz im Format großer Bögen trocknet auf Gestellen, die sich auf einer Fläche von hunderten von Quadratmetern verteilen.

Von Enping aus fahre ich dann in östlicher Richtung weiter. Taishan liegt etwa 50 km davon entfernt, aber die Landschaft wird erneut bergiger und die tatsächliche Strecke verläuft alles andere als geradlinig. Die Fernstraße G325 liegt weitab meiner Route, die dann an einigen kleineren Dörfern vorbeiführt und wegen des bergigen Geländes einige Extraschleifen beinhaltet. Am Ende werden es 67 Kilometer.
Der nur leicht bewölkte Himmel verspricht einen schönen Tag, wobei die Temperatur am Vormittag schnell auf 28° klettert. Die Luft ist zudem recht schwül.
An größeren Siedlungen entlang der Strecke sind eigentlich nur Chishui und Sanhe erwähnenswert; Orte, an denen ich jeweils auch von einer Landstraße auf eine andere wechsle, Marktflecken mit sympathischer Geschäftigkeit. In Chishui, einem Städtchen mit typischer, zweigeschossiger Archtektur, suche ich kurz nach einem Restaurant und finde nur eines am zentralen Verkehrskreisel, mache dort dann eine längere Mittagspause unter dem weit ausladenden Blechdach und esse Blattgemüse (Bai Cai) mit etwas Huhn und Reis.

Es fährt sich heute bei dem geringen Verkehr doch deutlich angenehmer, als an den letzten Tagen. Einheimische schauen mich öfter mal etwas ungläubig an und es kommt sogar vor (nicht nur heute), dass jemand im Vorbeifahren den Daumen in meine Richtung hebt. Das zeigt mir immer wieder, dass ich nicht einfach nur als Störung auf der Straße wahrgenommen werde. Anhalten tue ich bei dem warmen Wetter heute auch häufiger, als ich es an den letzten Tagen gemacht hatte, um zu trinken. Wasser ist dabei nie ein Problem.

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Parkanlage in Taishan

Am Nachmittag unternehme ich in Taishan dann noch einen Ausflug in eine größere Parkanlage am östlichen Ende der Stadt. Dort gibt es neben einem See, um den herum viele Läufer trotz der Nachmittagswärme ihre Trainingsrunden drehen, einen Höhenzug, auf dem Buddhistische Mönche in früheren Zeiten an Granitfelsen einige Inschriften hinterlassen haben.

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Romantische Küste und einsame Landstriche

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Offene Müllbeseitigung in der Nähe von Xige

Wirklich einsame Landstriche sind in diesem bevölkerungsreichen Land natürlich Mangelware, besonders wo selbst die kleineren Städte permanent wachsen. Von der Ein-Kind-Politik hat China sich ja schon länger wieder verabschiedet, die jungen Familien brauchen Wohnraum und selbst auf dem Land und in den Dörfern wird neu gebaut, wenn auch in kleinerem Maßstab.

Nachdem ich Wuchuan verlasse, bleibe ich für die nächsten Tage weiter in der Nähe der Küste, habe zweimal ein Quartier direkt am Meer, an teilweise recht abgelegenen Orten, in Yangxi allerdings wieder mitten in der Stadt. Die Länge der Tagesstrecken schwankt dabei zwischen 45 und knapp 70 Kilometern. Wegen meiner um einen Tag verspäteten Anreise nach Hainan verzichte ich auf den in Shapa Bay geplanten Pausentag und komme damit nach den inzwischen rund zwei Wochen, die ich nun unterwegs bin, endlich wieder in meinen ursprünglichen Zeitplan.

Auch während der Nacht in Wuchuan ist ab und zu Feuerwerk zu hören. Nicht direkt in der Nähe des Hotels, aber doch recht deutlich und es scheint üblich zu sein, damit immer erst spät in der Nacht zu beginnen, wenn müde Radreisende schlafen wollen. Es ist hier aber längst nicht so ausdauernd wie die Nacht zuvor in Xiashan.
Die Stadt verlasse ich zunächst in nordöstlicher Richtung, will die G228 als ausgebaute Fernverbindung vermeiden und fahre einen weiten Bogen durch die östlich von Wuchuan liegende, wieder etwas ländlichere Region.

 

In einem der kleineren Städtchen, fahre ich direkt am offenen Markt vorbei, den Suppentöpfen wird dort über der Gasflamme schon ordentlich eingeheizt, doch eine längere Pause für eine Nudelsuppe mache ich erst später in der größeren Stadt Dianbai. Der Tag ist sonnig und warm, schnell klettert das Thermometer in Richtung 26°C, später am Nachmittag auf knapp unter 30°C im Schatten; Werte die ich zuletzt im Süden Hainans hatte.
Dianbai liegt an einer großen Bucht, fast ein Binnensee, der nur einen verhältnismäßig schmalen Zugang zum Meer hat. Die chinesische Marine betreibt hier unter anderem einen großen Werftstandort und auf den Straßen sind in der Mittagszeit auch ab und zu Angehörige des Militärs in ihren grau-blau-weißen Tarn- bzw. Alltagsuniformen zu sehen. Aber um die Mittagszeit sind immer viele Menschen auf den Straßen unterwegs, erledigen Besorgungen oder gehen essen. Auf einer Promenade am Ufer eines kleinen Süßwassersees sitzen hier im Schatten hoher Bäume jetzt auch einige Leute und unterhalten sich entspannt, oder spielen Karten, was offenbar sehr beliebt ist und mir auch später an anderen Orten immer wieder auffällt.

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Diskussion unter Bäumen

Die Bucht von Dianbai muss ich vollständig umfahren, um mein im Südosten davon gelegenes Tagesziel zu erreichen. Leider gibt es aber in östlicher Richtung aus der Stadt heraus nur die Schnellstraße, der ich nun doch für einige Kilometer mit ihrem unangenehmen Verkehr folgen muss, bevor ich am Rande von Danchang im 90°-Winkel nach Süden und erneut auf eine unbedeutendere Nebenroute abbiege. Beim Dorf Xige habe ich dann beinahe die östliche Seite der schmalen Öffnung der Bucht erreicht. Die Straße verläuft hier auf einem Damm, der das Seewasser von den auch in dieser Gegend reichlich vorhandenen Fischteichen zurückhält.
Auf der Seite in Richtung Meer liegen einige Fischerboote im Wasser, in einer improvisierten Werkstatt sind zwei Männer damit beschäftigt, einen Bootsmotor zu warten oder zu reparieren. Viele Getriebeteile liegen auf dem Boden verteilt aber die stammen eher von früheren Reparaturen. In der Nähe schwelt eine Müllhalde vor sich hin, der Rauch folgt dem Wind in Richtung Westen. So vorbildlich beinahe überall im öffentlichen Raum Menschen damit beschäftigt sind, herumliegenden Straßenmüll aufzusammeln, oder Laub zusammenzufegen, so häufig wird der zusammengekehrte Müll auch einfach im Straßengraben angezündet.

 

Von dem etwas größeren Flecken Hengshan ausgehend führt dann eine Stichstraße bis direkt ans Meer heran und das Hotel, in dem ich vorab ein Zimmer reserviert hatte, liegt gut geschützt direkt am Meer. Es ist nach dem Hai Bin Resort in Xiashan bereits das zweite Mal, dass ich in einer eingezäunten und gesicherten Hotelanlage übernachte. Es mag daran liegen, dass man hier gemeinsam mit einem Wyndham Luxus-Resort kooperiert, an dem ich auf der Zufahrt durch das großzügige Gelände auch vorbeikomme.
In dem Haus, das vielleicht einmal als Feriendomizil verdienter Parteigenossen vor schon Jahrzehnten entstanden sein mag, bekomme ich jedenfalls ein mit bequemen Sitz- und ansonsten schon etwas abgewohnten Möbeln eingerichtetes, großes Zimmer, in dem auch mehr als nur ein Fahrrad Platz finden würde.

 

Am nächsten Tag muss ich die etwa 2 Kilometer lange Stichstraße bis zum nächsten Dorf wieder zurückfahren, um meinen Weg in östlicher Richtung fortzusetzen.
Das Hotel bietet nichts an, deshalb mache ich mir nur einen Kaffee und esse zwei Bananen als Frühstück; fahre dann auch bald los. Kurz bevor ich nach etwa 12 Kilometern in Mangang auf die G325 komme, will ich dann nach einem Restaurant schauen. Dort sollte es kein Problem sein, etwas Essbares zu finden.
Erstaunlicher Weise hat das kleine Nest Hengshan an der ersten Straßenkreuzung nicht nur ein eigenes kleines Postamt, dieses Postamt hat sogar am Sonntag geöffnet. Zumindest nimmt der Beamte, der mir am Tag zuvor noch einige Briefmarken verkauft hatte, die geschriebenen Karten dort an seinem Schalter ab.

Wieder einmal ist es am Vormittag bewölkt und es bleibt den Tag über eher trübe, auch wenn am frühen Nachmittag ab und zu die Sonne mal durch die Wolken kommt. Richtig auflockern tut die Bewölkung erst am späten Nachmittag. So warm wie am Tag zuvor wird es aber nicht, durch den ständigen Wind ist es zeitweise eher unangenehm kühl.
Irgendwo verbrennt jemand Erntereste auf einem Feld, vielleicht ist auch Müll dabei, und der Rauch verteilt sich über Kilometer in der Landschaft, sorgt für eine leicht diesige Sicht.

 

Zwischen einzelnen Dörfern stehen manchmal größere Kiefernbestände, ohne dass man von Wald sprechen könnte. Größeren zusammenhängenden Wald sehe ich immer nur in der Ferne an Berghängen, ansonsten Felder mit Mais, Gemüse auf kleineren Parzellen, außerhalb der Dörfer betreiben die Leute hier auch Entenzucht. Irgendwo müssen ja auch die an manchen Straßenküchen in Vitrinen von Fett goldig glänzenden, bereits fertig gegrillten Enten herkommen. Offenbar werden sie an größeren Teichen zu Hunderten gemeinsam in einer Altersstufe gehalten. Mal sind die Enten jung, mit hellem Gefieder, vermutlich wenige Wochen alt, mal sind sie bereits ausgewachsen, vergnügen sich auf dem Wasser oder ruhen faul auf dem Trockenen. Diese ‚Entenfarmen‘, oft großzügige Flächen mit einem riesigen Teich, liegen häufig direkt am Weg, die Tiere lassen sich von vorbei fahrenden Fahrzeugen nicht stören. Halte ich aber mit dem Fahrrad an dem oft nur niedrigen Zaun an, der die flugfaulen (oder flugunfähigen, weil sie es nie gelernt haben) Tiere am Verschwinden hindert, dann fühlen sie sich offenbar bedroht und strömen in großer Zahl in einen anderen Winkel des Geländes.

 

Auf dem Markt in der Stadt sieht man die Tiere dann manchmal in mobilen Gehegen als lebende Ware, die genauso wenig weiß was sie erwartet, wie die Hühner, die oft zwischen Straße und Grundstücken auf Futtersuche herumpicken. Wohl genährt, fast schon zu fett führen sie offenbar ein gutes Leben, bevor sie in den Topf kommen. Hühnerfarmen sind mir hier in Guangdong bisher nicht aufgefallen, in Hainan hatte ich dagegen einige gesehen. Immer unter dicht stehenden, schattigen Bäumen, ein niedriges Holzhaus für die Gelege und viel Freifläche drum herum für hunderte von glücklichen Hühnern, die auf dieser jeweils verhältnismäßig großen Fläche herumlaufen konnten wie sie wollten. Ein einziges Mal ertönte an solch einer Hühnerfarm sanfte Musik aus einem Lautsprecher, zarter Gesang zu einer beruhigenden Musik, die aber vermutlich auch nicht zu größeren Eiern geführt hat. Vielleicht war es auch einfach nur ein Versuch eines Hühnerzüchters.

Shapa Bay ist ebenfalls ein eher verträumtes Nest mit kleineren Hotels direkt an einer Strandpromenade, einem kleinen Vergnügungspark und einigen Restaurants, die bei ihrer Größe offenbar ganze Busladungen an Gästen erwarten. Jedes präsentiert sein Angebot an Krustentieren und frischen Seefischen in großen Aquarien direkt neben dem Eingang, so wie bei Fischrestaurants im Süden Chinas offenbar üblich. Das kann man auch in größeren Städten manchmal sehen. Nur die Nachfrage ist offenbar im Moment gering. Es sitzen am Abend wenige Gäste an den Tischen, einige der Restaurants sind nicht einmal geöffnet.

 

Aber mit dem Einsetzen der Dämmerung treffen sich einige Einheimische zum gemeinsamen Tanzen auf einem kleinen Platz an der Strandpromenade, die Musik dazu kommt aus einem etwas gequält klingenden Lautsprecher und gibt dem fröhlichen Miteinander eine nette Note von Improvisation.

Bisher hatte ich mit dem Wetter richtig Glück. Sonnig war es zwar nicht immer, aber richtigen Regen hatte ich bisher noch nicht. Heute morgen prasselt es jedoch so richtig auf den Balkon, als ich wach werde. Wie lange es in der Nacht schon geregnet hat, weiß ich nicht, als ich bei dann nur noch leichtem Regen am Vormittag in die nächste Etappe in Richtung Yangxi starte, sind die Straßen jedenfalls patschnass und es stehen Pfützen auf dem manchmal nicht sehr ebenen Beton, denen ich nicht ansehe, wie tief sie tatsächlich sind. In Laifuyuan, einem etwa 5 Kilometer entfernt gelegenen Nachbarort von Shapa Bay, suche ich mir zunächst etwas fürs Frühstück, da Shapa Bay selbst an dem Morgen wie ausgestorben ist. Selbst die Backstube, in der ich gestern am Nachmittag noch Kuchen bekommen hatte, ist geschlossen.

Auch wenn die Nebenstrecke bis zunächst Shangyang nicht allzu weit von der Küste entfernt verläuft, wird die Landschaft doch allmählich bergiger und bewaldeter, und die Wolken hängen noch lange nach dem Regen tief an den Hängen. Offenbar wird hier neben der Land- auch Forstwirtschaft betrieben und der Baumbestand ist ziemlich jung, hauptsächlich Eukalyptus, vereinzelt stehen aber auch hier junge Kiefern dazwischen.

In den weiten Tälern bleibt aber der Reisanbau bzw. was davon nach der letzten Ernte zur Zeit noch übrig ist, dominierend.

Da ich bis nach Yangxi mit knapp unter 50 Kilometern keine richtig lange Strecke habe, lasse ich mir mit einer längeren Pause etwas Zeit, rolle am Mittag durch das kleine, aber um diese Zeit auch hektische Shangyang langsam hindurch. Die Leute kommen von ihrer Arbeit aus den umliegenden Betrieben oder von den Feldern mit ihren Mofas zum Essen in die Stadt gefahren, wie in anderen Städten auch, die kleinen Restaurants haben jetzt Hochbetrieb und auch viele Schüler haben jetzt eine längere Pause und belagern Tea-Shops oder kleine Fastfood-Restaurants.

In dem Dorf Shidingxin, etwa eine halbe Stunde später, sehe ich neben einer kleinen Zweiradwerkstatt eine kleine Garküche, bei der ein leckerer Duft von etwas aufsteigt, das zunächst im Dunkel der Überdachung verborgen bleibt. Ein Tisch unter dem Vordach ist frei, Hunger habe ich inzwischen auch und die hier in einer großen gußeisernen Pfanne entstehenden, fett gebackenen und gefüllten Teigfladen sind jetzt genau das Richtige. Inzwischen kommt sogar die Sonne durch die Wolken und Heizt die Luft auch schnell wieder auf.

Bis nach Yangxi hinein ist es dann auch nicht mehr sehr weit. Ich komme aus südlicher Richtung in die Stad hinein gefahren, passiere zunächst einen der älteren Außenbezirke, mit engeren Straßen und älterem Häuserbestand, bevor ich das Zentrum erreiche, in dem die Straßen wie üblich breit und voll sind und ich den universell genutzten Nebenstreifen benutzen muss.

An einer Fußgängerampel, an der ich warten muss, hängt sich ein junger Mann mit seinem Rennrad hinter mich. Ein Student, wie er mir langsam in etwas schwerem Englisch erklärt, der hier in der Stadt lebt. Er ist an meinem Fahrrad interessiert und macht ein Foto mit seinem Smartphone. Begleiten kann er mich nicht allzu lange, nach wenigen Straßenkreuzungen biegt er in seine Richtung ab und ich verfolge meine Richtung auch weiter.

Hier in Yangxi finde ich ein ruhig gelegenes Zimmer in einem kleinen Hotel mitten in einem Wohnviertel, bei dessen kleinen Restaurants im Umkreis ich später die Qual der Wahl habe.

Veröffentlicht in China

Von der Südspitze Guangdongs bis nach Wuchuan

Von Florence verabschiede ich mich am 12.02. in Xuwen, nachdem wir die etwa 13 km vom Fährhafen in Hai’an aus bis nach Xuwen geradelt sind – viel später am Abend als gedacht, aber der Andrang zu den Fähren war enorm und der Kauf eines Tickets kompliziert, zumindest für mich als Ausländer. Eineinhalb Stunden dauerte die ruhige Überfahrt, aber für den frühen Nachmittag war kein Schiff mehr verfügbar und selbst die 17:00 Uhr-Fähre verließ den Hafen erst mit mehr als einstündiger Verspätung. Die in den Autos auf dem riesigen Hafengelände wartenden Leute, die eigentlich ihr jeweiliges Ticket mit bestätigtem Termin hatten, warteten teilweise schon den halben Tag, wie Florence bei einer Familie erfragt hatte. Insofern hatten wir Glück, dass wir mit den Rädern an allen Warteschlangen vorbei fahren konnten. Wir mussten dennoch direkt am Schiff etwas warten, bis man uns mit den Rädern an Deck ließ und wir zwischen zwei LKWs parken durften.

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In den Außenbezirken von Leizhou

Xuwen verlasse ich am nächsten Morgen bei bewölktem Himmel und milden 23°C bei außerdem leichtem Nordostwind. Es ist fast schon zu kühl nach den deutlich höheren Temperaturen der letzten Tage. Die stark befahrende Durchgangsstraße in Richtung Norden verlasse ich aber schon an der nächsten Hauptkreuzung, nehme zunächst in östlicher Richtung einen Umweg entlang des hohen Damms eines Wasserstaubeckens in Kauf, um auf einer Nebenstrecke aus der Stadt heraus zu kommen. Viele verschiedene Fernbusrouten nehmen in Xuwen ihren Ausgangspunkt zu verschiedenen Städten in Guangdong wie auch den Nachbarprovinzen und jetzt am frühen Vormittag scheinen viele davon zu starten. Ich muss zumindest mehrmals bei einem solchen Bus am Straßenrand im Vorbeifahren auf die etwas orientierungslos drum herum wuselnden Personen aufpassen, die gerade dabei sind, Koffer einzuladen.
Genauso wenig wie z.B. ein auf der Straße wendender Bus nicht auf den fließenden Verkehr achtet, machen es die Fahrgäste noch weniger.

Nach wenigen Kilometern biege ich dann in eine Nebenstrecke ein, die nur noch von wenigen Autos und Kleinlastern benutzt wird. Ich tauche damit auch gleich in das ländliche Guangdong ein, das zumindest hier an dessen Südzipfel sehr von Landwirtschaft geprägt ist. Keine großen Flächen in Monokultur, sondern sich abwechselnde Pflanzungen von z.B. Bananen, Zuckerrohr, Ananas, Salatpflanzen, manchmal auch Kürbis. Dazwischen liegen kleinere und größere Dörfer, in denen zur Zeit das Zuckerrohr zentral gesammelt wird. Auf den Feldern von Hand geerntet, schaffen Mini-LKWs den Transport zu diesen Sammelplätzen, von denen es dann mit großen Lastern zur nächsten Zuckermühle transportiert wird. Zwei davon sehe ich heute im Laufe des Tages.

 

Die erste am Rand von Tiaofeng, in dessen Zentrum ich auch noch relativ spät am Mittag bei einem freundlichen Koch eine schöne Portion Mangold sehr ähnlichem Gemüse mit Tofu und Reis bekomme.
Manchmal kann es so einfach sein. Je schlichter und offener die Küche, desto einfacher kann ich auf das zeigen, was ich gerne essen würde, denn ohne die Hilfe von Florence habe ich nun deutlich mehr Probleme, mich zu artikulieren. 60 km bin ich bis dort etwa gefahren, 35 km kommen später noch hinzu, bei inzwischen immer weniger bewölktem Himmel und vielleicht 26°, die sich später auch noch etwas steigern, nachdem die Sonne endgültig durch die Wolken kommt.

Nachdem ich von dem Städtchen vielleicht 3 – 4 km entfernt bin, hupt hinter mir ein Fahrzeug – was ja nicht ungewöhnlich ist – überholt aber nicht, sondern fährt links neben mir gleichauf, das Seitenfenster geöffnet. Als ich mich zur Seite drehe, um zu sehen, warum das dunkle Auto nicht vorbei fährt, hält mir eine junge Frau unvermittelt eine Halbliterflasche Wasser entgegen. Ich schaue kurz verblüfft, greife aber zu und nehme mir die angebotene Flasche, obgleich meine eigenen Flaschen noch ganz gut gefüllt sind, rufe etwas wie ‚谢谢‘ während das Auto schneller wird und gleich nach der nächsten Kurve aus der Sicht verschwindet.
Ich halte an und verstaue die Flasche, muss innerlich grinsen. Zuletzt hatte ich soetwas vor rund einem Jahr, als ich in Malaysia mit dem Fahrrad unterwegs war, und damals war es ein isotonisches Getränk, nicht nur schlichtes Wasser, aber so kleinlich will ich mal nicht sein.

Die Landschaft wird etwas welliger und bietet verschiedene Grünschattierungen durch die unterschiedliche und sich immer wieder abwechselnde Art der Vegetation, oft grenzt ein schmaler Streifen aus jungen Eukalyptusbäumen eine landwirtschaftlich genutzte Fläche ab, irgendwann ist das Zuckerrohr aber dominierend. Für die manchmal in Terrassen angelegten Salat- und Gemüseflächen am Rand kleiner Dörfer gibt es ein verzweigtes System aus schmalen, betonierten Bewässerungskanälen. Auch hier wird offenbar die nötige Feldarbeit von Hand erledigt.

 

Die Gegend wird weiter nördlich immer flacher, ich komme der Küste wieder näher und dem dorthin mäandernden Nandu River und wenige Kilometer vor dem Städtchen Leigao ist in der Ferne auf einer einsamen Erhebung ein riesiges Radom zu sehen, das sich dunkelgrün kaum von der Umgebung abhebt. Der nächste größere Militärhafen ist auch nicht sehr weit entfernt, aber dort komme ich erst am nächsten Tag hin. Im Bereich des Nandu River verläuft die Straße über vielleicht drei Kilometer auf einem Damm, obwohl die Küste noch mehr als zwei Kilometer entfernt ist. Wie schon in Hainan sind hier viele Wasserbecken zur Fischzucht angelegt, allerdings offenbar zur Zeit nicht alle genutzt, denn vielfach ist die Belüftung nicht in Betrieb.

Auf einer größeren Fläche zwischen dem Fluss und den Ausläufern der Stadt Leizhou befinden sich zwischen einigen Dörfern Reisfelder, die jetzt abgeerntet sind und auf denen Wasserbüffeln ähnliche Rinder grasen, die offenbar auch die Wärme der Nachmittagssonne genießen.
Nach Leizhou hinein komme ich auf einem Wirtschaftsweg, der in ein Stadtviertel mit schmalen Straßen, viel alter Bausubstanz und vielen kleinen Geschäften und Straßenhändlern mündet. Urplötzlich befinde ich mich dann aber in der Hektik einer weiteren Großstadt, ordne mich an der ersten Ampel in die Menge der wartenden Zweiräder und versuche, das von mir bereits vorreservierte Hotel nicht zu übersehen.

 

Das City Comfort Inn bietet am Morgen ein Frühstücksbüffet in seinem kleinen Restaurant an, so muss ich nicht auf die Suche gehen. Reis-Porridge, gegarte Tomaten mit etwas Rührei, Süßkartoffel, Brokkoli und süßes Gebäck; leider gibt es keinen Kaffee.
Mit der Weiterfahrt lasse ich mir etwas mehr Zeit, da ich heute nicht viel mehr als 60 km auf dem Plan habe. Anstrengend wird der Tag dennoch, da ich nun hauptsächlich in nordöstlicher Richtung und meist gegen den Wind fahre.
Der Verkehr ist ähnlich hektisch wie gestern am späten Nachmittag. Um aus Leizhou heraus zu kommen, muss ich erstmal in das Zentrum zurück, immer schön in der breiten Nebenfahrbahn, in die auch die lokalen Busse zum Halt einfahren und wo die Leute mit ihren E-Mofas in eigentlich alle Richtungen fahren, nicht einfach nur geradeaus in der vorgesehenen Fahrtrichtung. So muss ich ständig aufpassen. Am Postamt an der Hauptkreuzung werfe ich einige Postkarten ab und nehme dann die Hauptstraße in östlicher Richtung, vorbei an einem mitten in der Stadt gelegenen See, auf dessen Vorplatz erstaunlich viele Menschen flanieren und Kinder spielen. Nach etwa 4 km biege ich in eine schmale Seitenstraße ab und rolle durch die hinter der Hauptstraße liegende Bebauung.

 

Haus neben Haus, schlichter Beton meist, manchmal auch noch aus Ziegeln errichtet und in den unterschiedlichsten Größen. Nach etwa 500m befinden sich auf einmal Marktstände rechts und links der Straße. Sehr klein, das Obst oder Gemüse oft am Boden auf einer kleinen Plane liegend. Fleisch liegt ungekühlt auf stabilen Holztischen, die auch gleichzeitig als Hauunterlage bzw. als Arbeitsfläche dienen.
Als ich kurz anhalte werde ich ungläubig angeschaut. Kurz darauf bin ich auch schon aus der Stadt hinaus und rolle wie gestern nachmittag entlang von Reisfeldern. Irgendwo ist ein Bauer mit seinem kleinen Schlammtraktor dabei, die Reste nach der Ernte unterzupflügen, sofern man bei dem schlammigen Grund davon sprechen kann.

 

Die ruhige Nebenstraße mündet bald auf eine besser ausgebaute Fernstraße und diese verläuft nach kurzer Zeit parallel zur stark genutzten S373, quert sie auch zweimal bis sie direkt an einer Brücke über einen schmalen Fluss abrupt endet. Als die S373 gebaut wurde, hat man genau an dieser Stelle wohl die alte Trasse genutzt, bis dahin aber parallel neu gebaut. Dieses Detail war auf der Karte nicht zu sehen und die parallele Führung geht auch einige hundert Meter danach weiter. Ich muss aber an dieser Stelle erst einmal zurück, dann auf die Schnellstraße wechseln, bei nächster Gelegenheit auf die andere Straße zurück wechseln, deren Belag jetzt aber massiv schlechter ist, und dieses Spiel später noch einmal wiederholen.
An der nächsten Flussüberquerung, etwa 12 Kilometer weiter, führt die S373 dann in Richtung Osten und ich folge dieser Straße weiter. Bald zeigt sich die Nähe zum Überseehafen von Yanjiang in Form von Industrieanlagen unweit der Straße. Eine gewaltige Chemieanlage wirkt bedrohlich und verströmt unangenehme Gerüche und auch Geräusche, bei denen ich nicht lange verweilen will.

Nachdem ich die Zufahrt zum hiesigen Überseehafen passiert habe, sind auch kaum noch LKW mit Containern auf der Straße, trotzdem wird der Verkehr dichter und staut sich vor der nächsten Ampelkreuzung. Bahngleise verlaufen quer zur Straße die an dieser Stelle einen Umweg machen muss, da die direkt hinüber führende Brücke nur für Zweiräder zugelassen ist. Kurz dahinter komme ich an eine kleine Parkanlage direkt an der See und bis zu meinem Quartier ist es auch nicht mehr weit. Das liegt auweit von einem zentralen Verkehrsknoten in einer eigenen Parkanlage auf einem kleinen Hügel, quasi im Grünen mitten in der Stadt.

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In der Nacht ist leider an Schlaf nicht zu denken, da ab etwa 22 Uhr bis in die frühen Morgenstunden permanent Feuerwerk im näheren Umfeld des Hotels abgebrannt wird.

Da ich gestern abend in einem Supermarkt doch noch löslichen Kaffee gefunden habe, kann ich mir heute früh Kaffee kochen – und esse zunächst nur eine Banane, schreibe einen Blog-Artikel fertig und packe dann meine Sachen. Beim McDonalds um die Ecke frühstücke ich dann etwas mehr. Dann mache ich mich in nördlicher Richtung auf den Weg, sehe ein Postamt und werfe dort meine gestern noch geschriebenen Karten ein. Am Abend hatte ich noch vergeblich versucht, bei einem Geldautomaten Geld zu ziehen, hier gleich neben der Post sehe ich am Straßenrand eine weitere Filiale der China Construction Bank und habe diesmal Erfolg. Weitere 2000 Yuan sollten für die nächste Woche auf jeden Fall reichen.


Dann biege ich nach etwa 3 km Strecke zu einem Fähranleger ab, den breiten Fluss will ich mit der Fähre überqueren, das Ticket kostet 2,4 Yuan für mich und das Fahrrad. Allerdings muss ich etwa eine halbe Stunde warten, da das Boot nicht ständig pendelt. Die Nachfrage ist wegen der etwa 1 km weiter nördlich vorhandenen Schnellstraßenbrücke offenbar sehr gering. Doch einer dicht befahrenen Brücke von vielen hundert Metern Länge, die außerdem einen Umweg bedeuten würde, ziehe ich die Fährverbindung vor. In Potou, am anderen Ufer des Flusses folge ich dann zunächst der S373, die als vierspurige Fernverbindung leider bald recht stark befahren ist. Es gibt in dieser Gegend aber leider keine Alternative, erst nach etwa 15 km.

IMG_0519An der Ortsumgehung des Städtchens Jiaodaling, die dann als G228 weiter in Richtung Wuchuan verläuft, verlasse ich diese Verkehrsader schließlich und wähle stattdessen die Ortsdurchfahrt und anschließend einen etwas weiteren Bogen entlang der Alternativroute nach Wuchuan. Es sind jetzt viele Dörfer, die direkt an dieser Straße oder auch in einigem Abstand dazu liegen. Mir fallen plötzlich die bunten Fähnchen entlang der Straße auf, ab und zu in dreieckiger Form und mit aufgedruckten Drachen. Dass immer wieder mal Feuerwerk zu hören ist, irgendwo in der Ferne oder auch nahe der Straße, müsste ich eigentlich viel öfter erwähnen, denn es ist nach wie vor ein ständiger Begleiter, vor allem abends in den Städten.
Dann höre ich plötzlich dumpfes Trommeln irgendwo voraus und eine schräge Musik mischt sich in die Windgeräusche, denn der Wind ist ein weiterer ständiger Begleiter. Bisher zumindest.


Einige hundert Meter voraus ist auf einmal eine Störung im Verkehrsfluss und dann sehe ich die vielen Leute in roten Kostümen und ja, ein Trommler und mehrere Leute mit Trompeten. Oder was ich so laienhaft als Trompete bezeichne, denn der Klang ist schrill und will zu der Trommel gar nicht so recht passen. Die Gruppe von Leuten marschiert entlang der Straße, trägt in ihrer Mitte etwas unter einem kleinen Baldachin und verschwindet dann auf dem größeren Gelände einer Bauunternehmung. Wenige hundert Meter weiter kommt eine andere Gruppe vom Gelände eines Sportplatzes auf die Straße zugelaufen, wo schon ein Teil dieser anderen Gruppe zu warten scheint. Hauptsächlich junge Leute, auch sie tragen in ihrer Mitte eine Art von Schrein. Einige Kilometer weiter marschiert noch eine ähnliche Gruppe junger Leute auf das Gelände eines Tempels zu. Die Fähnchen und derartige Prozessionen habe ich zuvor nirgends gesehen, nur hier in dieser Gegend zwischen Jiaozhen und Wuchuan. Danach auch nicht wieder. Weiterhin bestimmt aber Landwirtschaft im kleinen Stil die flache Landschaft und bevor ich Wuchuan erreiche ist auch die typische Hochhausarchitektur das erste was von der nahen Stadt zu sehen ist.

Der letzte Abschnitt nach Wuchuan hinein, nachdem ich über die lange Brücke des Jian Rivers gerollt bin, und gleich an der nächsten Ecke dahinter nach rechts in die Seitengassen abtauche, ist dann wieder ein spannendes Beobachten des Alltags vor den Läden und in den Werkstätten abseits der Hauptverkehrswege und ich bin immer erstaunt, was die kleinen Geschäfte so alles bieten. Zweiradteile, manchmal ein Geschäft ausschließlich für Fahrrad- bzw. Motorradschlösser, herunter gekommene Tante-Emma-Läden und herausgeputzte Mini-Konditoreien mit einer bunt gemischten Auslage in kleinen Vitrinen zur Selbstbedienung, oder kleine Metall verarbeitende Betriebe mit Dreh- und Fräsmaschinen im Halbdunkel und der Enge einer garagenähnlichen Werkstatt.
Mein Quartier in Wuchuan liegt zwar an der Hauptstraße aber das Zimmer selbst etwas zurückgesetzt im Hinterhof und damit viel ruhiger als gedacht.

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Veröffentlicht in China

Langer Marsch zurück nach Haikou

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Improvisierte Weide in der Nähe von Shenzhou

Wir verfolgen unsere Route weiter entlang der Küste in nördlicher Richtung. Am Vormittag haben wir zunächst die Begleitung eines weiteren Radlers, der mit uns in der Radfahrerstation übernachtet hat. Er stammt zufällig aus der Gegend in der auch Florence lebt und so haben die beiden sich eine Zeitlang einiges zu erzählen. Die Strecke bleibt für den Tag und darüber hinaus überwiegend flach, selten wird das Profil leicht wellig.
Nachdem wir die X435 verlassen haben, die von der Insel Shenzhou über eine noch recht neue Brücke ostwärts herunterführt, ist kaum noch Verkehr um uns herum. Wir bleiben weiterhin in Küstennähe und nach einigen Kilometern verläuft die Straße parallel zu einem längeren Strandabschnitt.
Zuvor passieren wir eine Gegend mit vielen größeren Fischzucht-Becken, so wie auch gestern abend schon, als wir von der anderen Richtung her gekommen waren. Die motorisch betriebenen Paddelräder, mit denen das Wasser belüftet wird, hatten wir gestern schon mehrmals im Küstennahen Bereich gesehen, und diese Becken erinnern mich sehr an den Süden Thailands, wo ich derartiges in noch viel größerer Zahl gesehen hatte. Auch mit mehr Paddelrädern pro Becken. Dort waren es Großgarnelen, hier sind es Fische in der Größe von Karpfen, die mit Netzen aus einem der Becken geholt und in mit Wasser gefüllte Styroporboxen gezwängt werden. Dann werden sie auf Klein-LKWs geladen. Auf der anderen Straßenseite stehen Wasserbüffel auf einer Art Weide, eine größere Gruppe dieser Tiere, die man sonst immer mal einzeln in feuchten Niederungen oder auf abgeernteten Reisfeldern stehen sieht..

An den Strand kommen wir nicht direkt heran, ein etwa 100 bis 200 m schmaler Streifen aus Koniferenwald schirmt die Küstenlinie von der Straße ab und nur alle paar hundert Meter ist ein schmaler Zugang angelegt. Teilweise etwas versteckt und verwahrlost – erstaunlich dass hier kaum jemand anzutreffen ist, wo der Strand selbst naturbelassen und einige Kilometer lang ist. Allerdings ist dieser Ort auch einige Kilometer von den nächsten Bettenburgen entfernt.

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Eine gute Gelegenheit für eine kurze Pause im Schatten unter den locker stehenden Bäumen, denn der Himmel ist nur leicht bewölkt, die Sonne heizt die Luft im Lauf des Vormittags schnell wieder auf ca. 28 – 29°C auf. Am Strand liegt ein Fisch-Trawler, der offenbar in rauer See hierher gespült wurde. Stürme sind im Südchinesischen Meer vermutlich auch keine Seltenheit.

Laut Karte führt uns die Straße weiterhin immer nah der Küste auf einer schmaler werdenden Landzunge, die auf Landseite von einem großen See begrenzt wird, der nacheinander Kilometern als Long Wei River ins Meer mündet. Die Straße sollte durchgängig über diesen relativ breiten Fluss führen, endet dort aber abrupt an einer Kaimauer. Ein über das Wasser pendelnder, motorisierter Schwimmponton macht hier die Fähre. Nicht für Autos geeignet, aber voller Kleinmotorräder tuckert das Ding über den eher ruhigen Fluss, vorbei an einer Vielzahl von schwimmenden Fischzuchtbecken und Fischerbooten.

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Fähre über den Longwei River

In der Nähe des Ortes Hele verlässt uns unser neuer Begleiter schon wieder, von dem Florence mir einmal klagt, er würde zu viele Fragen stellen. Sein Englisch ist allerdings nur rudimentär, so dass er sich mit mir während der kurzen Zeit kaum unterhalten konnte. Er will zurück nach Wanning, das etwas weiter im Landesinnern an der Kreuzung mehrerer Fernstraßen liegt und das wir nun weiträumig umfahren haben, und von dort mit einem Bus nach Haikou und weiter nach hause. Mit seinem Faltrad kein Problem.

In den kleineren Städten herrscht immer ein sehr geschäftiges Treiben und wird der Verkehr schnell unübersichtlich. Viele Geschäfte und kleine Verkaufsstände an der Straße bieten Lebensmittel, Obst, Haushaltswaren, daneben befindet sich oft auch die eine oder andere Garküche und viele Leute schauen eher auf die Auslagen oder das Angebot, reden vom Moped aus im Vorbeifahren mit der Händlerin und keiner achtet so richtig auf seine Umgebung. Da werde ich häufig einfach ausgebremst, muss ständig selbst die Augen in alle Richtungen offen halten, denn gerne startet ein motorisiertes Zweirad gerade dann, wenn ich auf gleicher Höhe bin, oder kommt ausgerechnet dann um die Ecke, wenn ich die Einmündung passiere. Selten hält jemand gleich wieder an, nur weil ein Fahrrad daherkommt. Aber daran, dass ich hier mit dem Verkehr einfach mitschwimmen muss und das viele Gehupe getrost ignorieren kann, daran habe ich mich inzwischen gewöhnt.

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Pagode des Klosters von Bo’ao

War unser Quartier in der Nähe von Shenzhou so etwas wie eine Idylle, so ist Bo’ao wieder ein ziemlicher Hotspot. Die Stadt beherbergt nicht nur das ‚Boao Forum for Asia‘, eine NGO, die überregionale Konferenzen veranstaltet, am Rand der Stadt befindet sich auch das größte Buddhistische Kloster in Hainan, in das gleich noch ein offenbar beliebtes Museum mit angeschlossen ist. Die Besucher kommen jedenfalls in großer Zahl u.a. mit Bussen dorthin.
Wir erreichen die Stadt am späten Nachmittag nach etwas mehr als 90 km Fahrt und finden relativ schnell ein preiswertes Guesthouse in einer ruhigen Seitenstraße nahe des alten Zentrums.

Am nächsten Morgen bekommen wir die schon erwähnte Nudelsuppe bei den muslimischen Glaubensbrüdern. Die hintere Wand des kleinen Gastraums schmückt ein Wandgemälde einer großen Moschee. Der Himmel ist bewölkt, als wir uns auf die Räder setzen und losfahren, bei etwa 24°C.
Vom Altstadtkern des Städtchen Bo’ao existiert nicht mehr allzu viel, schnell geht die Bebauung der nach Norden führenden Straße in modernere Architektur und Wohnhochhäuser über. Die Ausfallstraße verlassen wir aber recht schnell wieder und fahren mit leichtem Rückenwind weiter nordwärts durch die dörflichen Siedlungen entlang der Küste bis Tanmen und weiter entlang der Bucht zwischen Changpo und Huiwen.

Auf Feldern neben der Straße werden teils im großen Stil Tomaten angebaut, die Früchte überwiegend in der Größe von Cocktailtomaten. Daneben werden Zucchini ähnliche Früchte gezogen, die wie die Tomaten an rankenden Pflanzen wachsen und recht groß werden.

Hainan ist eine ausgesprochen grüne Insel. Dort wo Flächen nicht landwirtschaftlich genutzt werden oder bebaut sind, scheint die Natur schnell wieder das zu überwuchern, was nicht hinein gehört. Das fällt manchmal am Straßenrand auf, wo hinter dem Straßengraben erstmal nichts außer Vegetation kommt, was allerdings im Küstenbereich selten der Fall zu sein scheint ist. Von möglicherweise wild lebenden Tieren ist praktisch nichts zu sehen, außer von einigen Schlangen, die zu unvorsichtig auf der Straße waren. Davon scheint es eine ganze Menge zu geben, lebendig habe ich allerdings keine gesehen.

In Wenchang wollen wir erneut mit einer Fähre über den dortigen, etwa einen halben Kilometer breiten Fluss übersetzen, da die Brücke der Fernverbindung S201 uns eher einen Umweg bringen würde. Florence will ein stückweit durch den ‚Coconut Forest‘ radeln, der sich etwas weiter südlich am gegenüber liegenden Ufer erstreckt. Doch die Fähre müssen wir suchen, als die Straße zum Hafen überraschend inmitten eines überdachten Marktes endet.

Etwas versteckt liegen aber an der Kaimauer zwei Barkassen, oder besser, zwei kleine Boote, die auf Kundschaft warten. Eines ist schon bereit zum Ablegen und die Eignerin des anderen Bootes – Frau Wang, wie das Namensschild an ihrem öligen Pullover verrät – erklärt uns, dass wir warten müssten bis genügend Passagiere zusammen sind, aber sie würde uns an der gewünschten Stelle weiter südlich am gegenüber liegenden Ufer absetzen – für je 10 Yuan mehr auch gleich. Das halte ich für geschenkt, bei einer quasi Privatfahrt, also laden wir das Gepäck ab, bringen die Räder und Taschen über den Bug auf das teilüberdachte Boot, während die Chefin die Maschine im Heck betankt. Ein Einzylindermotor, ähnlich denjenigen, die für die universellen Einachs-Zugmaschinen in der hiesigen Landwirtschaft verwendet werden.

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Auf dem Wenchang River

Sie legt mit uns ab und manövriert das Boot gekonnt zwischen den größeren Fischerbooten und verschiedenen anderen Schiffen, die vor Anker liegen hindurch, beginnt angestrengt zu telefonieren und steuert bald einen Punkt am direkt gegenüber liegenden Ufer an. Es dauert etwa 10 Minuten, bis wir dort zwischen mehreren ähnlich großen Booten anlanden. Aussteigen sollen wir nicht, stattdessen steigen weitere Personen zu, sechs freundliche Einheimische, die offenbar die Ursache für das Telefonat waren.
Die Weiterfahrt dauert noch einmal etwa 10 Minuten, nun entlang des Ufers in südlicher Richtung, bis zu einem weiteren Anleger, an dem Florence und ich dann aussteigen. Die anderen Passagiere lassen sich noch weiter chauffieren und winken zum Abschied.

Über schmale und ruhige, durchweg betonierte Wirtschaftswege fahren wir weiter durch die üppige Vegetation, bis nach Dongjiao. Kokospalmen stehen dicht an dieser schmalen Straße und die schräg gewachsenen Palmen überragen sie häufig, die Kronen voller Kokosnüsse. Es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit und dann auch der Statistik, wann die nächste Nuss auf ein Fahrzeug fällt und wieviele Leute schon dadurch zu Schaden gekommen sind. Ein Fahrradhelm dürfte gegen eine herabsausende Nuss auch wenig ausrichten können, überlege ich während ich unter den vielen drohenden Nüssen hindurch fahre.

Von Dongjiao sind es immer noch rund 15 km, die wir größtenteils wieder auf der ausgebauten Fernverbindung entlang der Küste fahren. Das Gelände ist leicht profiliert und die Anstiege ziehen sich beinahe schnurgerade hin. Kurz vor dem Abzweig nach Longlou dann ein gut gesichertes Museum am Straßenrand, in der Ferne in Richtung Küste kann ich mehrere hohe, quaderförmige Hallen erkennen, Montagehallen für Weltraumraketen. Mir war gar nicht so recht klar, dass es in Hainan auch einen Weltraumbahnhof gibt. Später sehe ich an einer Straßenkreuzung im Ort ein Modell einer Rakete vom Typ ‚Long March‘.

Longlou ist eher ein verschlafenes Nest, das Gästehaus, das wir in einer Seitenstraße finden, aber ist relativ neu und das geräumige Zimmer bietet genügend Platz auch einmal die Wäscheleine zu spannen und die zuletzt noch feuchten Dinge alle einmal aufzuhängen. Dazu lasse ich die Klimaanlage im Entfeuchtungsmodus laufen und am nächsten Morgen ist auch tatsächlich alles trocken.

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Ein Modell des Typs ‚Langer Marsch‘ an einer Straßenecke

Von Longlou bis nach Haikou sind es dann doch noch knapp über 100 km, die wir am nächsten Tag in Angriff nehmen und dank des leicht böigen Windes aus östlicher Richtung auch schneller zurücklegen, als zu erwarten wäre. Auch wenn wir nicht den direkten Weg entlang der Fernverbindung S201 wählen. Viel Abwechslung gibt es entlang der Strecke trotzdem nicht, das Wetter hält aber durch und den Regen zurück, auch wenn die Bewölkung sukzessive zunimmt und später in Haikou sogar unangenehm kühler Wind aufkommt.

Etwa 40 km vor dem Stadtzentrum machen wir am Nachmittag, als die Sonne doch einmal für längere Zeit durch die Wolken kommt, in dem Städtchen das eigentlich auch schon unter die Verwaltung des Großraums Haikou fällt, eine etwas verspätete Mittagspause. Aber bis dahin lief es gut, da wollte ich nicht zu früh unterbrechen, umso stärker ist jetzt der Hunger. Es gibt wieder einmal Nudelsuppe mit Eistich und da der Chef der Küche auch eine kleine Vitrine mit Backwaren präsentiert, zum Nachtisch noch einen etwas zu süßen, fluffigen Teigball.

Kurze Zeit später wird der Verkehr auch deutlich dichter und rund um den Flughafen, an dem wir direkt vorbei müssen, ist wegen Baustellen dichter Stau. Haikou ist eben eine Großstadt und sobald wir den Innenstadtbereich erreichen, lassen wir die breiten Straßen links liegen und fahren für etliche Kilometer auf einer Promenade, die sich direkt am Ufer des Haikou River entlang nordwärts erstreckt. Leider endet sie abrupt wegen einer Uferbaustelle und wir müssen doch entlang der Straße fahren.
Bis zum Banana Hostel ist es aber nicht mehr weit, der Fluss macht einen 90°-Knick und trennt den nördlichen Teil Haikous, die eigentlichen Innenstadt, als eine Insel vom Rest der Stadtfläche, dem weitaus größten Teil ab. Wir nutzen die dritte der Brücken über den Fluss, auf der eigene Fahrstreifen für Zweiräder zur Verfügung stehen. Eine schöne Runde um die Insel Hainan endet damit nach rund 677 Kilometern.
Morgen werden wir mit einem der vielen Fährschiffe nach Hai’an auf das Festland übersetzen, wo ich dann meine Reise durch einen Teil Südchinas in Richtung Macau fortsetzen will, während Florence dann mit einem Nachtbus nach hause fährt.

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Hainans Vielfalt entlang der Ostküste

 

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Die Tage sind sonnig und warm, abends bleibt es bis etwa 19 Uhr hell, morgens kommt die Sonne kurz nach sieben über den Horizont. Schnell ergibt sich ein Tagesrythmus, nach welchem Florence und ich uns gegen 8 Uhr zum Frühstücken treffen, uns zumindest auf die Suche nach einer Straßenküche oder einem kleinen Restaurant machen, und gegen halbzehn sind wir meist auch schon mit den Rädern unterwegs. Mehrmals ist es Nudelsuppe, die wir morgens bekommen, manchmal Porridge oder dampfgegarte Hefeklöße.
Xincun, Shenzhou, Bo’ao und Longlou sind die Stationen auf dem Weg um die Insel herum, zurück in Richtung Haikou. Dabei sind Strandabschnitte, Steilküste, kleinere Berge, Landwirtschaft und Fischzucht, Märkte und Dörfer genauso Bestandteil, wie manch hektische Innenstadt und immer wieder Ausblicke auf Bauinvestitionen, deren tatsächlichen Nutzen ich mir bei dieser großen Zahl an entstehenden Gebäuden nicht erklären kann.
Es wird allerorten Werbung für die (vermutlich zu kaufenden) Apartments gemacht, doch wer kauft die? Jetzt im Moment ist wegen des Chinesischen Neujahrsfestes Hochsaison in Hainan, die Straßen sind in den größeren Städten teilweise verstopft mit großen, neuen Limousinen und Luxus-SUVs aller namhaften europäischen (vor allem deutschen) und japanischen Autokonzerne, aber die jetzt schon verfügbaren Bettenburgen sind gar nicht richtig ausgelastet. Zumindest ist dies mein Eindruck.
Dieser Teil ist zwar für meine Reise nur eine Randerscheinung, lässt sich aber nicht ausblenden und ist natürlich fest mit der Entwicklung Hainans verbunden. Dieser Aspekt sorgt dann auch für einen großen Kontrast.

In Xincun gibt es Frühstück in einer Straßenküche mit wenigen kleinen Tischen auf dem überdachten Fußweg direkt davor. Einer davon ist gerade frei. Es gibt Nudelsuppe mit etwas Lauchgemüse und für mich mit einem direkt in der Suppe gegarten Ei, Florence zieht die Fleischeinlage vor. Da hierzulande mit wenig Salz gekocht wird und in den Restaurants nie ein Salzstreuer vorhanden ist (man würzt eher mit Sojasoße nach), hatte ich mir am Abend zuvor in einem Supermarkt mit großer Haushaltsabteilung einen Salzstreuer gekauft (eigentlich eine kleine Dose für Zahnstocher, da es keine Salzstreuer gibt, und eine Tüte Meersalz, deren restlichen Inhalt ich nach Befüllen der kleinen Dose dem Restaurant geschenkt hatte, in dem wir später gegessen haben). Damit salze ich die Suppe und versuche so meinen im Moment erhöhten Salzbedarf über das Essen etwas auszugleichen.
Am nächsten Morgen in Shenzhou frühstücken wir dann z.B. erst auf dem Weg, da es an der Bikerstation, wo wir in Zelten preiswert übernachten konnten, selbst nichts gibt. Einen Tag weiter in Bo’ao ist es ein kleines mulslimisches Restaurant, in dem wir Nudelsuppe bekommen und wo man den Leuten bei der Nudelherstellung, beim ausziehen des Teiges, draußen vor der Tür zuschauen kann. So ist jeder Morgen anders.

Die am Abend auf dem Hoteldach aufgehangene Wäsche ist über Nacht nicht trocken geworden. Es wird nachts zu kühl und die Luftfeuchtigkeit ist in Küstennähe einfach zu hoch. Florence versucht mit dem Haarfön, ihre Sachen noch zu trocknen, dann fahren wir auch bald aus der sich schnell wieder mit Tagestouristen füllenden kleinen Stadt hinaus und entlang der G223 in Richtung Norden, weg von der Küste, denn dort verläuft lediglich eine Autobahn, die mit Rädern nicht befahren werden darf. Vermutlich auch weil es diese Autobahn gibt, bleibt der Verkehr auf der Landstraße den Tag über recht ruhig.

In Lingshui überqueren wir den Lingshui River und danach führt die Straße nach etwa 25 km Strecke in die Berge. In der weiteren Umgebung sind es Erhebungen bis zu 400 m, die Straße selbst windet sich über wenige Kilometer zweimal mit bis zu 8% Steigung auf nicht ganz 200 m hinauf, bei der Mittagshitze von über 30° C aber ist das eine schlauchende Angelegenheit. Wir sind nicht die einzigen Radler, die sich diese Strecke antun. Am ersten Anstieg sitzen drei Leute mich Mountainbike und leichtem Tagesgepäck im Schatten des Hanges und reparieren eines ihrer Räder, kurz vor der Höhe rolle ich langsam an einer Familie mit zwei Jungs vorbei. Der Vater wartet bereits oben. Ich stelle mich dazu und warte auf Florence, die ihr Rad die letzten Meter nach oben schiebt.
Danach folgt eine langgezogene Abfahrt über mehrere Kilometer, die es leicht macht, die kurze Anstrengung von den beiden Anstiegen zuvor wieder zu vergessen. Wir rollen nun durch den Distrikt Wanning und eine weiterhin wellige Landschaft mit bewaldeten Hängen.
In dem Dorf Nanqiao dann eine Mittagspause, einige hundert Meter weiter wird Feuerwerk gezündet.

Das Chinesische Neujahrsfest liegt zwar schon wieder einige Tage zurück, aber in den Städtchen und Dörfern, durch die wir kommen, wird immer wieder Feuerwerk abgebrannt, manchmal sind die Kracher wie ein dumpfes Grollen in der Ferne zu hören, die Papierfetzen der Böllerketten liegen vor manchem Haus malerisch verstreut herum. Und an vielen Müllsammelstellen türmen sich noch die Reste des Feuerwerks von der Neujahrsnacht. Die Böllerketten können mehrere Meter lang sein, werden aufgerollt in riesigen Verpackungen verkauft und die Leute haben offenbar ihren Spaß daran, solche Ketten entlang der Straße auszulegen und den Vorbeifahrenden die Sicht zu vernebeln (abgesehen von dem krachenden Lärm).

Später kommen wir an die Küste zurück, die teils als Steilküste schöne Ausblicke bietet und weiter in eine küstennahe Ebene mit Landwirtschaft und vor allem einfacher Fischzucht in großen, flachen Becken, die mit motorisch betriebenen Paddeln ständig mit Sauerstoff versorgt werden. Natürlich auch hier vor der Kulisse mit Apartment-Hochhäusern in Strandnähe.
Die Insel Shenzhou ist mit zwei kurzen Brücken an das Festland angebunden und
hier konzentrieren sich am landseitigen Ufer die etwa 18 geschossenen Wohnhäuser, während die Seeseite ein weiter Strandpark und eben der Strand ziert.
Mitten in der Anlage liegt eine Art Zentrum mit Restaurants und einem Supermarkt, wo wir am Abend noch den Wasser- und Obstvorrat auffüllen und am nächsten Morgen bei herrlichem Sonnenwetter frühstücken.

Für die Nacht aber nehmen wir, wie einige der unterwegs getroffenen Radler auch, Quartier bei einer Fahrradstation auf dem Festland, etwas versteckt an der Umgehungsstraße gelegen, wo neben Mehrbettzimmern auch Zelte zur Verfügung stehen. Für den Abend kocht der Chef persönlich für alle und zaubert etwa 14 verschieden zubereitete Leckereien, hauptsächlich Gemüse, auf den runden Tisch.
Wie in China üblich greift jeder mit seinen Stäbchen überall zu und probiert von (fast) jeder Speise – ein fröhliches Durcheinander und die beste Möglichkeit, ein breites Spektrum der chinesischen Küche kennenzulernen.

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Public Transport und die Südostküste bei Sanya

Von Nadao aus nehmen wir einen Bus nach Sanya, da die weitere Westküste nicht viel Interessantes zu bieten hat und mir ein weiterer Tag mit weniger Strecke nach der langen Anreise und dem noch nicht ganz verdauten ersten Tag mit fast einhundert Kilometern Strecke auch noch ganz gut tut.
Wir sind früh am Busterminal, um die Tickets zu kaufen, denn es wird nur zwei Verbindungen für den Tag geben. Es herrscht bereits hektisches Treiben vor den Ticket-Automaten und vor dem einen geöffneten Schalter steht bereits eine längere Warteschlange, so dass es etwa 20 Minuten dauert, um für den 11.00 Uhr-Bus Tickets zu bekommen. Ob wir die Fahrräder mitnehmen können, will man uns jedoch nicht zusagen.
Dann erst einmal frühstücken, das Hotel hatte angeboten, Reisporridge zu kochen, was schnell auch ganz schön satt macht. Zu halbelf sind wir dann wieder am Busterminal. Dort ist hektischer Betrieb an der Zufahrt, Leute werden mit Taxen gebracht oder abgeholt, lokale Busse halten in der Nebenfahrbahn, wo Mofas in beiden Richtungen zirkulieren und außerdem ein Obsthändler seine Ware anbietet. So ist Vorsicht beim Einfahren auf den kleinen Vorplatz angesagt.

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Lokale Busse in Nadao, teilweise mit Elektroantrieb

Für den Ticketkauf musste ich schon meinen Pass vorlegen, dessen Nummer mit meinem Namen dann in das Ticket eingedruckt wurde, jetzt beim Betreten der Wartehalle wird das Ticket mit dem Pass von einem Polizisten verglichen, das Gepäck wird durchleuchtet, doch das Fahrrad darf so wie es ist durch den Metalldetektor. Sicherheit wird offenbar im öffentlichen Personenverkehr ernst genommen, das war mir vorgestern schon beim Bahnhof von Lingao aufgefallen, wo wir zuerst um den Transport der Räder nachfragen wollten. Aber in den Hochgeschwindigkeitszügen, die in Hainan ausschließlich eingesetzt werden, sind Fahrräder nicht zugelassen. Wir mussten sie außerdem weit abseits des Bahnhofsgebäudes parken, die dortige Polizei hatte uns erst gar nicht mit ihnen auf den Vorplatz gelassen.

Die Tür nach draußen zum bereitstehenden Bus öffnet sich erst 10 Minuten vor der geplanten Abfahrt. Es ist ein kleiner Bus mit vielleicht 35 Sitzplätzen, aber wir haben Glück mit den Rädern, da nur wenige der Reisenden ihr Gepäck im Laderaum verstauen. Also Lenker querstellen und mit etwas Geschick bekommen wir die beiden Fahrräder in den Laderaum des Busses geschoben. Sie kosten dann noch jeweils 40 Yuan extra, die von der Busbegleiterin direkt kassiert werden, bei 78 Yuan für das einfache Ticket.

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Eine der vielen Skylines von Sanya

Nadao ist zwar keine Großstadt, aber trotzdem quält sich der Bus im dreispurigen Stau dann nur langsam aus der Stadt heraus. Die Fahrbahn ist uneben und der Fahrer hat eine recht ruppige Art, das Fahrzeug alle paar Meter zum Stehen zu bringen. Schnell wird einigen Leuten schlecht und bald zieht säuerlicher Geruch durch den Innenraum. Das kann ja noch heiter werden, wo die Fahrt doch gerade erst beginnt, denke ich. Eine Zeit lang überlege ich, ob ich auch eine Tüte aus meiner Packtasche herauskrame – für alle Fälle. Aber das schlechte Gefühl vergeht wieder. Die betroffenen Leute werfen später ihre kleinen schwarzen Plastiktüten nach vorne in den Gang des Busses, der irgendwann am Fahrbahnrand anhält, wo die Begleiterin den Müll dann nach draußen befördert.
Überhaupt hält der Bus noch einige Male, nachdem wir schon lange außerhalb der Stadt sind direkt auf der Autobahn. Unter einer Straßenbrücke am Fahrbahnrand, oder an einer Ausfahrt, wo jeweils noch Leute zusteigen. Jedesmal holt die Begleiterin einen Mini-Klappstuhl aus der oberen Ablage hervor, auf den sich die Zugestiegenen dann in der kleinen Freifläche im vorderen Busbereich hinsetzen können. Die Sicherheit ist offenbar doch relativ weit auslegbar.

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Strand mit Blick auf Sanya

Die Fahrt endet nach rund vier Stunden am Rande von Sanya, am Busterminal West. Von dort sind es noch etwa 15 km bis ins Zentrum, für die wir uns in der Nachmittagssonne Zeit lassen. Die Stadt an der Südspitze von Hainan dehnt sich über eine Landzunge in südlicher Richtung aus und und schon von weitem sieht man die lange Skyline während man die Bucht von Sanya gerade erst erreicht. Sandstrand und ein Strandpark ziehen sich über viele Kilometer entlang der Küstenlinie und in etwa 50 bis 200 m Abstand verläuft eine dicht befahrene Straße, an der auch bald die ersten Hotelbauten auf der vom Strand abgewandten Seite stehen. Bald folgt ein Hotel oder Resort dem nächsten, teils etwas von der Straße zurückgesetzt und oft luxuriös gestaltet. Ein wenig fühle ich mich an die Kalakaua Avenue in Waikiki erinnert. An vielen Stellen gibt es kleine Parkplätze am Rand des Beachparks, alle überfüllt, und an den Zufahrten ist hohe Vorsicht geboten, da die Autos dort auch teilweise die Straße verstopfen, denn offenbar wissen sie nicht wirklich, wohin. Uniformierte Wächter sorgen dafür, dass zumindest nicht auf der Straße geparkt wird.

 

Sanya liegt etwa am südlichsten Punkt der Insel und von hier aus fahren wir in den folgenden fünf Tagen entlang der Ostküste zurück nach Haikou. Nicht immer direkt an der Küstenlinie, manchmal sogar recht weit im Landesinnern, wenn die Route, der wir folgen ihren Weg mit möglichst wenig Steigungen durch die teils bergige Landschaft nimmt.

Offenbar wollen viele Leute in Richtung Südosten aus der Stadt heraus und nachdem wir die beiden Brücken über den Sanya River überquert haben, schwimmen wir mit dem dichten Verkehr mit, vorbei an einer Marinebasis entlang der G224, um einen etwa 400 m hohen Berg herum und aus dem dichter besiedelten Bereich heraus.
Bald ist Stau auf dieser Ausfallstraße, der sich vor einem Abzweig in Richtung einer offenbar beliebten Badebucht mit angrenzendem Naturschutzgebiet bildet. Hinter dem Abzweig, der uns nicht weiter interessiert, sind wir dann schon fast allein auf der breit ausgebauten Straße.

In der Bucht von Haitang kommen wir endlich weg von dieser Schnellstraße, die zwar landschaftlich ganz nett eingebettet ist und zwischen zwei bewaldeten Höhenzügen hindurch geführt hat, aber schöner sind doch schmalere Straßen mit weniger Verkehr. Entlang dieser Bucht wird offenbar auch in die Zukunft investiert und fleißig zubetoniert. Straßen und Wege sind schon da, Grünstreifen und Palmenzeilen ebenfalls, die aufwändig bewässert werden, aber die eigentlich Bauflächen liegen noch brach bzw. beginnen sich zu entwickeln – und dies über viele Kilometer. Lediglich im nördlichen Bereich sind neben einem imposanten Hotelturm in angedeuteter Segelform noch weitere Hochhauszeilen in Küstennähe zu sehen.

Landeinwärts liegen Dörfer in der Hitze des frühen Nachmittags. Es sind ca. 28° im Schatten und auf gut Glück suchen wir ein kleines Restaurant im Zentrum eines der Dörfer. Die dort hineinführende Straße scheint neu angelegt worden zu sein, Plakate erzählen davon (so bekomme ich es zumindest übersetzt), dass mit dem Abriss der alten Substanz der Ort doch viel moderner geworden sei. Gegenüber einer Laden-/Restaurantzeile, in deren Schatten wir Reisnudelsuppe mit Gemüse und Erdnüssen bestellen, befinden sich modern gestaltete, zweigeschossige Reihenhäuser, frisch gekalkt und vermutlich erst kürzlich fertiggestellt.

Für einige Kilometer geht es zurück auf die Landstraße, da Flüsse und auch zweimal die Hainan umspannende Autobahn gequert werden müssen, danach geht es schnell wieder ins ländliche, küstennahe Hainan. Der Chili-Anbau war mir ja zuvor schon aufgefallen, bei dem Dörfchen Dapo sind einige Leute auf dem Feld mit der Ernte beschäftigt. Die Pflanzen tragen offenbar sehr unterschiedlich, je nachdem wann die Pflanzen gesetzt worden sind, denn auf anderen Feldern hatte ich die niedrigen Büsche auch noch in Blüte gesehen. Diese hier tragen lange, schmale Früchte, die sich bald in großen Säcken am Straßenrand stapeln.

In Xincun ist es dann Zeit, ein Quartier zu suchen, was nicht gleich bei den ersten Gästehäusern klappt, bei denen wir fragen und die etwas abseits der Hauptstraße liegen. Entweder ausgebucht, oder einfach geschlossen. Xincun ist zwar ein größeres Nest, liegt aber ganz nett der Halbinsel Monkey Island vorgelagert, zu der eine Seilbahn hinüber führt, und ist deshalb hauptsächlich bei Tagesbesuchern beliebt. So ist zwar als wir ankommen, noch recht viel Leben und Lärm in der zentralen Straße des Ortes. Die meisten Händler und Straßenküchen bauen aber ab oder packen ein, bereits mit dem Einsetzen der Dämmerung.

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In Xincun, Seeseite
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Im Nordwesten von Hainan

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Am Rand des Zentrums von Haikou

Dass Hainan vor etwa 25 Jahren eher noch als Entwicklungsgebiet eingestuft wurde, sieht man der chinesischen Provinz heute kaum noch an. Haikou und Sanya sind Großstädte, die genauso boomen wie andere Städte in China auch. Vielleicht ist die Bauaktivität hier sogar noch etwas stärker als in anderen Provinzen, denn Hainan hat nach wie vor den Status einer Sonder-Entwicklungszone und der Staat fördert hier zudem massiv den Ausbau des Tourismus. Die Chinesen haben die Insel längst als ihr tropisches Ferienparadies entdeckt.
Wegen des bevorstehenden Chinesischen Neujahrsfestes sind nun Anfang Februar auch entsprechend viele Urlauber und Heimkehrer aus allen Provinzen des Landes hier. Man merkt es nicht nur am Autoverkehr.

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Die küstennahe Ausfallstraße von Haikou aus in Richtung Westen ist zunächst sechs-, später vierspurig angelegt, und der innerhalb der Stadt noch als Nebenfahrbahn parallel geführte Zweirad- bzw. Mehrzweckweg wird dann zu einem eigenen Radweg abseits der Straße. Eigentlich ist dies eine ganz praktische Trennung, die aber nicht konsequent beachtet wird. Sowohl Zweiradfahrer nutzen die Bahn in beiden Richtungen, wie auch gelegentlich Autofahrer, niemanden scheint es zu stören. Stattdessen wird hupend drauf hingewiesen, dass ‚man kommt‘.
Ein Verhalten, an das ich mich gewöhnen muss, genauso wie das Benutzen von Fußgängerüberwegen an großen Straßenkreuzungen. Das Radfahren ist dann auf der eigentlichen Fahrbahn viel entspannter, als auf diesem Mehrzweckweg.

Nachdem wir den Hafen und zwei Marinestützpunkte passiert haben, folgen mehrere Strandabschnitte mit Grünstreifen, die noch am Vormittag im Nebel liegen, da die Luft feucht von See her aufs kühlere Land drückt. Später ist es sonnig und wird mit 28° sehr warm. Ab und zu wird gestoppt, um im Schatten kurz abzukühlen und zu trinken, oder Obst zu essen. Da meine Haut noch nicht an die intensive Sonnenbestrahlung gewöhnt ist, schmiere ich mir zweimal selbige ein.

Unser Tagesziel Lingao erreichen wir erst am späten Nachmittag nach 98 km Fahrt entlang von Badeorten, die noch im Entstehen sind, und durch kleinere Städtchen abseits der Hauptverbindungswege sowie durch einige landwirtschaftlich genutzte Flächen. In den Niederungen sind es neben einzelnen Reisfeldern vor allem Gemüse und vereinzelt Erdbeeren, in höher gelegenen unebenen Flächen sind es Ananaspflanzungen, Bananen und Eukalypthus-Pflanzungen.

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Lingao ist eine etwas größere Provinzstadt im Nordwesten Hainans, etwa 12 km von der Küste entfernt gelegen. Im Zentrum eng und pulsierend, wobei aber ganze Straßenzüge erweitert werden, um offenbar Platz für mehr Verkehr zu schaffen, an der Peripherie der Stadt weit und regelmäßig angelegt. Verlässt man die Stadt in Richtung Norden, so fährt man alsbald durch Geisterbezirke, wo frisch angelegte Straßen noch ins Nichts führen und 20-Geschosser entstehen, die von noch niemandem bewohnt werden. Selbst an der Küste wird eine ganze Hochhaussiedlung buchstäblich in den sandigen Boden gesetzt.
An einer Landzunge befindet sich eine kleine Parkanlage in der ein monumentales Denkmal an die Befreiung Hainans von der japanischen Besatzung im 2. Weltkrieg erinnert, unweit einer Fischersiedlung.

Die Nacht zum Chinesischen Neujahrstag wird sehr laut und stickig. Feuerwerk war ja schon den ganzen Tag über immer mal und irgendwo, in der Nähe oder von weiter weg zu hören. Um Mitternacht aber beginnt ein Dauerfeuer in der näheren und weiteren Umgebung. Die Kracher sind hierzulande dann auch viel lauter, als in Deutschland je erlaubt wäre. Schnell zieht der Qualm nicht nur die Straßen entlang, sondern zwischen den hohen Gebäuden auch aufwärts, so dass ich die Balkontür für den Rest der Nacht geschlossen halte. An Schlaf ist vorläufig nicht mehr zu denken, und den Jetlag habe ich noch längst nicht verdaut.

Von Lingao aus fahren wir weiter in südlicher Richtung, zunächst entlang einer der stärker befahrenen Landstraßen, über eine Autobahn hinweg, die einmal um die ganze Insel herum führt und nach etwa 18 Kilometern erst auf eine Nebenstrecke und dann entlang von teils unbefestigten Wirtschaftswegen durch eine etwas hügeliger werdende und teils dicht bewachsene Landschaft. Von einem größeren Staubecken gehen einige wasserführende Kanäle aus, die ein offenbar weit verzweigtes Bewässerungsnetz speisen. Rund um den Ort Nabao befinden sich weitere landwirtschaftliche Flächen, die offenbar auf diese Weise mit Wasser versorgt werden.
Es ist inzwischen Zeit für eine längere Pause, außerdem meldet sich nach rund 40 km Strecke auch der Hunger. Hier in Nabao finden wir dann auch eine kleine Straßenküche, in der wir Brotteig am Spieß und Spinatgemüse frittiert serviert bekommen, mariniert in einer leckeren süßlichen, scharfen Soße. Es ist allerdings auch die einzige Alternative an diesem frühen Nachmittag.
Hier im Ort, wie auch immer wieder entlang der bisherigen Strecke, sind sporadisch Böller und Kracher zu hören. Das Abbrennen von Feuerwerk hat mit der Neujahrsnacht nicht geendet, sondern offenbar erst begonnen und vielerorts werden Böllerketten in großen, rotgelb dekorierten Verpackungen an der Straße verkauft.

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Nadao erreichen wir nach 67 Kilometern durch diese abwechslungsreiche aber teils auch hügelige Landschaft, die Nachmittagshitze lässt bereits etwas nach. Der Straßenverkehr ist an diesem Feiertag überschaubar, das Busterminal, an dem wir vorbeikommen, ist geschlossen. Die Stadt ist Sitz der Provinzverwaltung, deren repräsentatives Gebäude am Rande des Stadtzentrums inmitten einer großen, bewachten Parkanlage liegt.
Später, auf der Suche nach einem Restaurant in der Innenstadt, spazieren wir auch an diesem Park vorbei und ein junger Mann spricht mich in sehr gebrochenem Englisch an. Er würde eine internationale Sprachschule betreiben und sucht einen neuen Englischlehrer – fragt mich, ob ich nicht gleich bleiben wolle. Da kann ich ihn dann nur enttäuschen.

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